pv magazine highlight: Die „Climate Time Machine“ macht aus drögem Zahlenwerk eine interaktive Zeitreise der Energiewende, die bei Scheitern durchaus in einer Klimakatastrophe enden kann. Doch das Schicksal liegt in den Händen der Reisenden. Gamification wird so zum direkten Akzeptanz-Booster für Nachhaltigkeitsmaßnahmen.
Es erinnert ein wenig an ein bekanntes virtuelles Lebenssimulationsspiel für den Computer aus den 2000ern: Auf dem Bildschirm erscheint ein großes Haus, ähnlich einem Puppenhaus, eingebettet in die wohnumgebende Infrastruktur. Wir befinden uns in der „Climate Time Machine“ des Potsdamer Unternehmens Sciara. Statt virtueller Karrieren erleben Nutzende hier die realen Auswirkungen ihres Lebensstils auf das Klima bis zum Jahr 2100. Der Blick schweift über die interaktiven Parameter wie Stromverbrauch, Heizbedarf, Mobilität oder Ernährung, für die jeder Nutzer zu Beginn die eigenen Werte eingibt, die man dann aber im Laufe der Simulation verändern kann.
Der Ernst des virtuellen Lebens ist nur einen Klick entfernt: Die Simulation enthüllt, welchen Einfluss das eigene Verhalten auf den jährlichen CO2-Fußabdruck hat. Wer viel fliegt oder in einem ungedämmten Altbau wohnt, wird überrascht sein: Die eigene Kurve der Emissionen liegt plötzlich weit über der des Bevölkerungsdurchschnitts. Auch kollektive Entscheidungen werden berücksichtigt, zu gesellschaftlichen Fragen oder Unternehmensstrategien.
Die prozentuale Emissionsveränderung der Gruppe wird dann auf die Weltbevölkerung hochgerechnet, um den Einfluss auf den globalen Erwärmungspfad zu simulieren. Die Auswirkungen sehen Nutzende schließlich in ihrer virtuellen Umwelt, zum Beispiel in der Visualisierung des Wohnumfelds, wenn Pflanzen verdorren, weil sie unter Hitze und Dürre leiden. Regelmäßig ploppen Nachrichten auf, etwa dass das Alpenmurmeltier vom Aussterben bedroht ist. Je nach ergriffenen Maßnahmen kann das Aussterben dieser bedrohten Tierart dann verhindert werden oder die Pflanzen bleiben saftig grün. Als wissenschaftliche Datengrundlage für diese Simulationen dient unter anderem ein Klimamodell des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und auch ein Meeresspiegel-Modell aus einer Veröffentlichung im Fachjournal „Science“.
Solche unmittelbaren Aha-Erlebnisse können den Nutzern die abstrakte Klimakrise virtuell erfahrbar machen und Verständnis fördern. „Wer die ‚Climate Time Machine‘ erlebt hat, kann bewusster nach Wegen suchen, durch Entscheidungen im privaten, politisch-gesellschaftlichen und beruflichen Leben zu einer besseren Klimazukunft beizutragen“, sagt Sciara-Gründer Daniel Tamberg.
Highlights und spotlights
Preis für gute Ideen: In der November-Runde zeichnet pv magazine zwei Einreichungen als highlight top business model aus. Das sagt die Jury:

Das sagt die Jury:
Sciara: Vom Erleben zur Motivation
Viele Negativmeldungen zu einem Thema stumpfen ab. Das Phänomen ist bekannt und lässt sich derzeit daran beobachten, dass News aus der Klimaforschung, die eine Klimaerwärmung mit immer höheren Gradzahlen für wahrscheinlich halten, oft ungehört verhallen. Die Simulation Climate Time Machine kann dieser Abstumpfung entgegenwirken. Sie kann durch das gemeinsame Erleben einer virtuellen Zeitreise und die daran anschließenden Diskussionen in Workshops dazu motivieren, notwendige Änderungen in Unternehmen, im Verhalten und in der Politik voranzubringen. Dafür zeichnet die Jury das Angebot mit dem Prädikat top business model aus.
Die Juroren:
Volker Quaschning ist Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Hans Urban ist langjähriger Experte und Consultant für Photovoltaik, Speicher und E-Mobilität. Winfried Wahl ist seit über 15 Jahren bei verschiedenen Herstellern im Bereich erneuerbare Energien tätig.
Mehr Infos, bisherige Preisträger (seit 2014) und alles zur Bewerbung unter: www.pv-magazine.de/highlights
Einsendeschluss für die nächste Runde: 2. Januar 2026
Seit vier Jahren gibt das Unternehmen moderierte Workshops für Gruppen bis zu 30 Personen: Innerhalb von drei Stunden reisen sie virtuell von Anfang 2024 bis ins Jahr 2100. Zukünftig soll die „Climate Time Machine“ auch außerhalb der Workshops eingesetzt werden können. Dazu bildet Sciara einen Mitarbeitenden eines Unternehmens aus, der dann die Gruppen anleitet.
Getrieben durch gesetzliche Regulierungen, Marktnachfrage und die Preisvolatilität fossiler Energieträger müssten Unternehmen Nachhaltigkeit aktiv vorantreiben, so Tamberg. Doch der damit einhergehende Transformationsprozess stoße nicht bei jedem Mitarbeitenden direkt auf Akzeptanz. „Es geht einfach darum, dass schwierige Entscheidungsprozesse offen geführt werden“, sagt er.
In den Workshop-Gruppen würden selbst hitzige Debatten, wie etwa über Elektromobilität, konstruktiv geführt, sagt Tamberg. Das Ziel sei nicht die Bekehrung, sondern die Erhöhung der Akzeptanz, etwa dafür, dass die Fahrzeugflotte umgestellt wird. Die Jury überzeugte der Ansatz – gerade in der aktuellen öffentlichen Debatte, in der der Klimawandel kaum noch vorkommt. Deshalb zeichnet sie die „Climate Time Machine“ als pv magazine highlight top business model aus.
Mittlerweile hat Sciara nach eigener Aussage mehr als 1.500 Menschen in Organisationen, Unternehmen oder auch Bildungseinrichtungen auf Klimazeitreisen mitgenommen, finanziert durch die Workshops selbst, Business Angels und teils auch durch Förderungen.
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