„Deutschland ist einfach weit voraus“ – pv magazine Deutschland


Chris Hopper ist eine gute Wahl, wenn ein Fachmann für die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem US-Markt für Photovoltaik gesucht wird. Nicht nur, weil sein Unternehmen Aurora Solar nach großen Erfolgen auf dem Heimatmarkt seit 2023 auch Installateuren in Deutschland, Österreich und der Schweiz Planungssoftware anbietet. Sondern auch, weil Hopper gebürtiger Münchener ist. Zum Studium der Elektrotechnik ging er nach England, es folgten einige Jahre in der Offgrid-Solarbranche und kleinere Projekte in Afrika. In den USA lernte er Samuel Adeyomo kennen, mit dem zusammen er 2013 Aurora Solar gründete. Die Geschichte geht wie ein Kapitel aus dem Gründer-Bilderbuch: Eigentlich wollten die beiden Photovoltaik-Anlagen installieren und suchten hierfür gute Software zur Planung. Weil sie keine fanden, entwickelten sie eben selbst eine.

Elf Jahre später – im April 2024 – hatte Aurora Solar nach eigenen Angaben die Marke von 20 Millionen geplanten Photovoltaik-Projekten überschritten. Das bedeutet aber nicht, dass es für das Unternehmen bei seinem Markteintritt in der DACH-Region – also Deutschland, Österreich und der Schweiz – nichts mehr zu lernen gegeben hätte. Das liegt nicht allein daran, dass es hier eine bereits etablierte Konkurrenz auf dem Markt für Planungssoftware gibt, sondern auch daran, dass der Photovoltaik-Markt insgesamt ein anderer ist.

pv magazine: Das Tempo, mit dem Aurora Solar in den USA gewachsen ist, war wirklich gigantisch. Soweit wir es beobachten, geht es jetzt hier in Deutschland nicht so schnell. Ist das eine korrekte Beobachtung und wenn ja, was sind die Gründe dafür?

Chris Hopper: Ich würde sagen, es kommt auf den Zeitraum an. Die ersten paar Jahre sind wir auch in den USA nicht schnell gewachsen. Da ging es zunächst darum, den Markt zu verstehen und das Produkt anzupassen. In einer ähnlichen Phase sind wir jetzt in Deutschland. Wir haben schon viel gelernt, aber das dauert einfach seine Zeit, wenn man es gescheit machen will. Ich finde aber, es läuft gut für die Phase, in der wir jetzt sind: viele Kundengespräche, viel Produktentwicklung und Lernen. Irgendwann passt es, und dann geht die Skalierungsphase los.

Was musste Aurora denn hier in Deutschland lernen? Unser Eindruck ist, dass die Software rein technisch State of the Art ist.

Im Kern stimme ich der Aussage zu. Ich kenne kein Produkt auf dem Markt, das all das kann, was unseres kann. Aber wenn es um den Nutzen für den Solarteur geht, sind Details wichtig, zum Beispiel bei den Daten. Weil wir mit Satelliten- und Lidar-Daten arbeiten, war es eben ein Thema, dass man für einen neuen Markt gute Datenquellen haben muss. Zweites Thema: Unsere KI, die automatisch Häusermodelle erstellt, war natürlich auf amerikanische Datensätze trainiert und auf amerikanische Dächer. Reihenhäuser zum Beispiel sind in Deutschland wichtig, in den USA dagegen kaum. Wie bilden wir also Reihenhäuser ab? Alles machbar, aber eben auch ein Beispiel dafür, wie man das Produkt an einen neuen Markt anpassen muss. Speicher, noch ein Thema, sind im deutschen Markt wesentlich wichtiger als im amerikanischen. Das kommt dort jetzt auch immer mehr, aber hier ist es eben schon jetzt von zentraler Bedeutung. Oder der Schaltplan: Deutsche Solarteure erwarten von einer Software, dass sie den automatisch erstellt. Das ist für die Amerikaner nicht so wichtig, weil der Prozess dort ein anderer ist. All dies mussten wir also in unser Produkt integrieren, um auf die Ansprüche des deutschen Markts einzugehen.

Gibt es in Deutschland nicht auch eine andere Struktur der Kunden, also der Installationsbetriebe? Wir haben hier ja einen hohen Anteil von kleineren Unternehmen bis ungefähr zehn Mitarbeiter. Die spielen, so jedenfalls unser Eindruck, auf dem US-Markt nicht solch eine große Rolle.

Es gibt auch dort viele kleine Unternehmen, aber es stimmt schon, dass die größeren mehr Anteil am Marktvolumen haben. Aber die Kleinen waren 2013 auch ein Grund dafür, dass mein Mitgründer Samuel Adeyemo und ich Aurora Solar gestartet haben. Zunächst hatten wir gedacht, wir bauen Anlagen und kaufen dafür an Planungssoftware einfach ein, was andere Installateure auch benutzen. Dann haben wir gesehen, dass die großen Installationsunternehmen intern Software entwickelt haben. Das war zwar auch nicht das, was wir uns vorgestellt haben – aber die Kleinen und Mittelgroßen hatten eben gar nichts. Ein kleiner Betrieb kann nicht seine eigene Planungssoftware entwickeln. Deshalb war es immer Teil unserer Philosophie, dass wir Best-in-Class Tools für den gesamten Markt bereitstellen, für große Firmen ebenso wie für kleine. Und auch wenn das Segment der kleinen Betriebe in den USA nicht unbedingt das mit dem meisten Volumen ist, liegt es uns doch am Herzen.

Für kleine Unternehmen ist es ja unter Umständen schon schwierig, sich in eine neue, funktionsmächtige Software einzuarbeiten. Es gibt eher die Tendenz zu sagen, die von uns genutzte Software ist vielleicht nicht perfekt, aber die kennen wir, bei der bleiben wir. Ist es für den Vertrieb von Aurora Solar nicht sehr schwer, die vielen kleinen Betriebe zu überzeugen?

Für die kleineren Betriebe folgen wir eher einem Self-Server-Approach, bei dem die Leute selbst auf die Website kommen und sich dort anmelden. Wenn sie dann Fragen haben, können sie die natürlich stellen. So haben wir es auch in den USA gemacht. Der direkte Vertriebsfokus ist mehr auf mittelgroße und größere Firmen gerichtet. Sonst könnten wir das Produkt auch nicht zu einem Preispunkt bereitstellen, an dem es auch Kleinunternehmen anspricht.

Die deutsche Solarbranche ist zurzeit ziemlich verunsichert, weil die Bundesregierung gerade im Bereich der kleinen Aufdachanlagen von Förderkürzungen spricht, davon, dass der Zubau gebremst werden muss. Wie nimmt Aurora Solar das wahr, auch im Vergleich mit dem, was in den USA passiert?

Das ist so ein Beispiel dafür, was ich meine, wenn ich sage: Blicke ich von den USA nach Deutschland, dann schaue ich vom Photovoltaik-Markt her in die Zukunft. In jedem Markt, in dem Solarstrom einen bestimmten Anteil erreicht hat, heißt es irgendwann: Der ist volatil, hängt vom Wetter ab und so weiter – wie plant man also das Netz und wie hält man es stabil? Alles lösbar, aber wir als Branche müssen eben Antworten liefern: Wie bekommen wir das hin, wie bringen wir die Kosten runter, wie machen wir das Design der Anlagen so, dass sie mit allen Anforderungen konform sind?

Wir haben von „dem“ US-Markt gesprochen, obwohl es den eigentlich gar nicht gibt. Es ist ja ein Riesenunterschied, ob ich in Oregon unterwegs bin, in Kalifornien oder in anderen Bundesstaaten. Ist jetzt durch das sogenannte One Big Beautiful Bill wirklich der gesamte Photovoltaik-Zubau in den USA in Gefahr, oder gibt es da immer noch große, regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten?

Es gibt immer große Unterschiede zwischen den Staaten. Hawaii ist zum Beispiel ein Vorreiter, es hat sehr hohe Strompreise. Da gab es immer schon viele Photovoltaik-Anlagen und die hatten dann auch als erste das Problem, dass sie zu viel Solarstrom hatten. In Kalifornien natürlich, in großen Gebieten im Nordosten, aber zum Beispiel auch in Texas oder Arizona gibt es sehr viel Photovoltaik. Dagegen gibt es zum Beispiel in Washington State viel weniger Sonne, aber auch viel mehr Wasserkraft und niedrige Strompreise. Es hängt wirklich immer von der Balance ab. Je teurer die Strompreise, desto besser für Solaranlagen, je mehr Sonne, desto besser. Förderung ist auch wichtig. Aber diese Balance ist sehr verschieden in den einzelnen Staaten.

„Mit dem One Big Beautiful Bill kann man leben.“

Das One Big Beautiful Bill war ja leider für die Solarbranche nicht so beautiful – aber wohl nicht so schlimm, wie es zwischendurch ausgeschaut hat. Ich denke, man kann damit leben. Bei den Steuererstattungen über den Investment Tax Credit gibt es derzeit noch eine Variante für Endkunden und eine für Unternehmen. Die für Endkunden wird es ab Januar nicht mehr geben. Aber die andere gibt es noch und sie wird genutzt etwa für PPA-Projekte, aber auch für Leasing. Damit wird sich der Markt für kleinere Anlagen verschieben. Die Leute werden weniger Solarlagen selbst kaufen beziehungsweise mit einem Darlehen finanzieren – und stattdessen mehr leasen. Der Markt wird zunächst schon schrumpfen, weil alles sich anpassen muss. Aber ich glaube, danach wird er auch wieder wachsen, die Prognose für die nächsten fünf bis zehn Jahre wären ungefähr 15 bis 18 Prozent pro Jahr. Denn die Stromkosten gehen immer noch hoch, gleichzeitig steigt der Stromverbrauch. Und auf der anderen Seite gehen die Kosten für Solar weiter runter, gerade bei Speichern. Das sind alles Kräfte, die mittel- und langfristig den Markt voranbringen.

Es fällt auf, dass Photovoltaik-Anlagen in den USA deutlich teurer sind als in Deutschland. Die Einfuhrzölle allein können es ja nicht sein, denn die Preisunterschiede gab es auch schon vorher. Liegt es vor allem an den Lohnkosten, oder gibt es da strukturelle Gründe?

Es gibt verschiedene Gründe. Zum Teil sind es die Lohnkosten, auch das hängt aber vom jeweiligen Staat ab. In Kalifornien zum Beispiel ist eine Anlage pro Watt Leistung 80 Cent teurer als in Arizona. Ein anderer Teil sind Finanzierungskosten; Amerikaner finanzieren ja solche Anschaffungen gern. Leider ist oft auch der Genehmigungsprozess sehr komplex und nicht standardisiert. Das hängt dann natürlich wieder stark vom Staat ab, oft auch von der jeweiligen Stadt oder sogar vom zuständigen Mitarbeiter. Das ist alles sehr uneinheitlich und verursacht noch einmal extra Kosten.

Aurora Solar, Planungssoftware, Screenshot
„Reihenhäuser sind in Deutschland wichtig“: Photovoltaik-Planungssoftware muss in etlichen Punkten angepasst werden, bevor sie sich auf einem neuen Markt einsetzen lässt.

Grafik (Screenshot): Aurora Solar

Und dann, denke ich, kennen sich die Kunden in den USA nicht so gut aus mit Solarstrom. Der deutsche Kunde hat schon seit zehn Jahren immer wieder davon gehört, er kennt es von seinem Nachbarn. Er weiß recht gut, wie das Ganze funktioniert, der durchschnittliche Amerikaner meist noch nicht. Deshalb werden in den USA Anlagen mehr VERkauft als GEkauft – man kann also nicht auf eine bestehende Nachfrage setzen, sondern muss die Anlagen den Kunden aktiv anbieten. Die Kosten der Kundenakquise sind sehr hoch.

Das sind die wesentlichen Faktoren, warum es dann unterm Strich deutlich teurer ist. Die Zölle kommen jetzt noch obendrauf, wobei das für Kleinlagen nicht das große Problem darstellt, weil die Hardware hier weniger als die Hälfte vom Komplettpreis ausmacht.

Sind dann Europa und gerade der deutsche Markt auch eine Art Gegenmodell, weil man hier bei Punkten wie Integration, Regulierung und gesellschaftlicher Akzeptanz weiter ist? Könnten die USA davon lernen?

Ich denke schon. In Deutschland gibt es in Gesellschaft und Politik eine einheitlichere Meinung als in den USA. Dort sind die Demokraten dafür und die Republikaner dagegen. Das ist natürlich ein Problem für die Branche, wenn es politisch immer hin und her geht. Da geht manchmal die Substanz verloren, es wird nicht nüchtern betrachtet: Wie ist unser Energiemix, welche Rolle spielt die Solarbranche heute, was kann ihre Rolle morgen sein? Und dann eben, wie schon gesagt, die Endkunden: Je mehr ein Endkunde sich auskennt mit der Anlage, desto mehr kann er auch im Kaufprozess involviert sein und das kann Kosten senken. Da ist Deutschland einfach weit voraus.

Aber auch wenn hier in Deutschland viele Endkunden zwar verstanden haben, wie das mit der Stromeinspeisung funktioniert, ist es jetzt doch deutlich komplexer geworden. Erst kam der Eigenverbrauch hinzu, dann Batteriespeicher, vielleicht noch Wallbox und Wärmepumpe, alles gesteuert über ein Energiemanagementsystem. Geht nicht doch wieder der Trend dahin, dass ich als Kunde sage: Ich verstehe nicht wirklich, wie es funktioniert und muss deshalb darauf vertrauen, dass der Installateur es versteht und mich beraten kann?

Ja, es stimmt, dass das Ganze komplexer wird. Auch da ist der deutsche Markt aber voraus. In den USA gibt es gerade erst die Phase „Solar plus Speicher“, und es wird nur wenig darüber geredet, was außerdem noch dazukommen kann – Wärmepumpen vielleicht, Wallboxen sind erstaunlicherweise in den USA weniger ein Thema.

„The winner takes most.“

Ich schätze also schon, dass der Beratungsaufwand steigen wird, aber ich hoffe auch, dass der Endkunde nachzieht und mit der Zeit dazulernt. Irgendwann werden außerdem zum Beispiel die Speicherkosten noch weiter runtergehen und dann ist es nicht mehr ganz so wichtig, dass von der Größe her alles zu 100 Prozent passt – dann reichen schon 80 Prozent und es ist von den Kosten her immer noch in Ordnung. Aber tendenziell: Ja, es kommt mehr Komplexität, und auch aus diesem Grund ist meiner Ansicht nach die Planungssoftware so wichtig. Der Kunde muss dem Installateur vertrauen, aber der Installateur muss auch die Tools haben, um die richtige Entscheidung zu treffen.

Wenn ein Installateur nun eine Software wie die von Aurora benutzt, die ja wirklich komplex ist und mit der man sehr viel machen kann – wird dann nicht auch der Effekt größer, dass er sagt: Ich habe diese Software und bei der bleibe ich? Und sagen dann womöglich auch die Softwareentwickler irgendwann: Wir haben unsere Kunden, die bleiben bei unserem Produkt und darum müssen wir jetzt nicht mehr viel daran verbessern?

Schön wär’s, wenn wir nicht mehr viel tun müssten. Nein, im Ernst: Unsere Kunden halten uns auf Trab. Wir bekommen von ihnen direkt mit, welche Anforderungen sie haben. Und da müssen wir natürlich mithalten. Das ist auch ein Grund dafür, dass wir viele Mitarbeiter allein in der Entwicklung haben. Manchmal taucht die Frage auf: Warum habt ihr da so viele Leute, ist euer Produkt noch nicht fertig? Aber erstens ist ein solches Produkt nie fertig. Und zweitens ist gerade unser Markt einfach sehr dynamisch und hat außerdem eben je nach Region auch noch unterschiedliche Anforderungen.

Das Prinzip „The winner takes it all“, das im Software- und IT-Bereich ja häufig gilt und dem zufolge irgendwann ein Unternehmen den Markt dominiert und alle anderen nur noch Nischen besetzen, gilt also für Solarplanungssoftware nicht?

„The winner takes most“ vielleicht. In den Staaten haben wir es ganz gut hinbekommen, Marktführer zu werden. Aber das haben wir übers Produkt geschafft, das einfach besser war als die Konkurrenz. Das hat dann natürlich auch mehr Leute auf unsere Plattform gebracht. Und damit haben wir dann mehr Umsatz, was es uns wiederum erlaubt, mehr Entwickler einzustellen, die dann das Produkt weiter verbessern, und das bringt dann wieder mehr Kunden.

So haben wir es in den USA gemacht und wir hoffen natürlich, uns auch in Deutschland als Marktführer zu etablieren. Wir haben als Basis ein Kernprodukt, mit dem wir viel Wert in den deutschen Markt bringen können. Es gibt in diesem Zusammenhang übrigens dann doch ein Thema, bei dem die USA Deutschland voraus sind: die digitalen Prozesse. Und da hoffen wir, dass wir das, was wir in den USA über digitale Prozesse gelernt haben, jetzt nach Deutschland bringen können und dabei aber – sehr wichtig – auch auf den deutschen Markt eingehen. Und dass wir uns auf dieser Basis auch hier als Marktführer etablieren.

Dabei wünschen wir viel Erfolg. Aber als Journalisten wünschen wir natürlich auch allen anderen viel Erfolg, damit es einen spannenden Wettbewerb gibt.

Das finde ich auch. Wir müssen uns natürlich über das Produkt beweisen, und wenn ein anderes bessere Funktionen hat, müssen wir eben nachziehen. Und das ist dann gut für den Markt. Am Schluss muss der Markt erfolgreich sein und wir müssen es gemeinsam schaffen, dass er wächst und sich an die neuen Anforderungen anpasst. Das ist eine Sache, die größer ist als nur wir.

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