Auch bei der Abstimmung des Bundesrates über die Novellierung des CCS-Gesetzes geriet man als unbedarfter Demokrat in Verwunderung. Nach einem Plädoyer des Parlamentarischen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium, Stefan Rouenhoff pro CCS teilte Florian Herrmann (CSU), Leiter der bayerischen Staatskanzlei und in diesem Tagesordnungspunkt amtierender Präsident des Bundesrates , mit, dass auch der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats eine Zustimmung empfiehlt und fuhr fort: „Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.“ Das Video zeigt, dass längst nicht alle Hände hoch gingen. Der Präsident stellte fest, dass das „eine Mehrheit“ sei und das Gesetz somit befürwortet werde. Warum fragte er nicht nach Gegenstimmen und Enthaltungen? Es wäre doch interessant gewesen zu erfahren, welche Länder sich tatsächlich die Mühe machten, pro CCS den Arm zu heben und welche nicht.
Vier Länder machten sich Mühe, allerdings in anderer Weise: Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und die Freie Hansestadt Bremen hatten Protokollerklärungen abgegeben. Im ersten Satz verbeugen zwar auch sie sich – sozusagen vor dem „CCSler-Hut“, indem sie die „generelle Ermöglichung der Kohlendioxidspeicherung“ als „eine notwendige Maßnahme zur Erreichung der Klimaziele“ bezeichnen. Doch schon im nächsten Satz wird dies konterkariert: Die Landesregierungen weisen „auf begrenzte Lagerstätten, hohe Kosten sowie mögliche ökologische Risiken hin und hält vor diesem Hintergrund verstärkte Klimaschutzbemühungen für vorrangig vor der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid“ hin.
Klimaschutzbemühungen und CCS werden also ganz korrekt als Gegensätze gesehen!
Die Bundesregierung wird gebeten, „klarzustellen, für welche schwer oder anderweitig nicht vermeidbaren Emissionen die Anwendung dieser Technologie gegenüber anderen Dekarbonisierungsoptionen als nötig erachtet wird“.
Auch dies ist ein ganz wesentlicher Punkt. Schon am Anfang der Diskussionen über die Carbon Management Strategie hatte Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid in einem Offenen Brief kritisiert, dass nicht klar definiert wird, welche Emissionen als unvermeidlich gelten sollen.
Weiter wird davor gewarnt, CCS an Gaskraftwerken einzusetzen.
Sehr zu begrüßen ist auch, dass die Bundesregierung gebeten wird, „die Einführung des ‚überragenden öffentlichen Interesses an CO2-Infrastruktur‘“ zu revidieren, da es andernfalls dazu kommen kann, dass die „Errichtung klimaneutraler Infrastruktur (Strom, Wasserstoff, Geothermie und andere)“ zugunsten von CCS benachteiligt wird.
Die Protokollerklärungen der vier Länder enden mit dem Fazit: „Die Maßnahmen zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen, der konsequente Ausbau erneuerbarer Energien sowie Maßnahmen des natürlichen/biologischen Klimaschutzes haben vor einer möglichen Anwendung von CCS weiterhin höchste Priorität.“
Die Stellungnahmen unterscheiden sich nur minimal. Offensichtlich wurden sie von den vier Ländern gemeinsam erarbeitet. Das ist ein außerordentlich sympathisches Vorgehen! Es ist wie ein Kristallisationskern, offen für den Anschluss Weiterer!
Sieben Länder fordern: Erneuerbare Energien – kein fossiles Rollback in die Vergangenheit!
Und: gedacht, geschehen! Nicht lange nach der Sitzung des Bundesrates meldete die Landesregierung Niedersachsen, dass sich zu den vier genannten Ländern drei weitere hinzugesellt haben: Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg. Diesmal geht es nicht um CCS, sondern um ein gemeinsames Positionspapier gegen die aktuelle energiepolitische Ausrichtung des Bundes. „Die ständigen Angriffe auf Förderprogramme für Gebäudesanierung, Elektromobilität, Wärmepumpen, die Ausbauziele der Erneuerbaren Energien, Grünen Stahl und Wasserstoff sorgen für massive Verunsicherung bei Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Wirtschaft“, heißt es in dem Positionspapier.
„Wir brauchen endlich Verlässlichkeit und einen klaren Kurs zum Erreichen der Klimaziele – und kein fossiles Rollback in die Vergangenheit.“
Ja, das sind die richtigen Töne! Wenn dieser Geist in die Gänge kommt, braucht man sich auch um CCS keine Sorgen mehr zu machen. Wenn die erneuerbaren Energien endlich entfesselt werden, werden sie einen Sturm auslösen. Kein Mensch wird sich dann noch für teuren Strom aus Gaskraftwerken interessieren – dessen Kosten sich durch CCS noch verdoppeln. Und wenn die saubere Revolution in der Energiewirtschaft richtig losgeht, wird der Aufbruch auch auf die sogenannten unvermeidlichen Emissionen in der Industrie überspringen. Wir sind in der Lage, auf den Mars zu fliegen, wenn wir es wollen. Erst recht sind wir in der Lage, unser Wirtschaften, unseren Stoffwechsel mit der Natur, klimafreundlich zu gestalten – wenn wir es wollen!
Bayern: hinterwäldlerisch
Wie hinterwäldlerisch wirken gegenüber dem frischen Wind aus Niedersachsen die Planungen in Bayern, den Freistaat in eine CO2-Deponie zu verwandeln! Die Touristen werden sich bedanken, beziehungsweise ausbleiben, wenn sie erfahren, dass ihr Urlaub lebensgefährlich wird, wenn sie in zu tief gelegene Täler geraten, in denen sich das sinnlich nicht wahrnehmbare, aber tödliche CO2 aus Leckagen sammelt.
Die Verfasser des „Aktionsplan CCU/CCS zum Carbon Management in Bayern“ des bayerischen Wirtschaftsministeriums wurden schon etwas nachdenklich, als ihnen bewusst wurde, dass die CO2-Abscheidung etwa bei einem Müllheizkraftwerk eine Menge Wärme benötigt, so dass man entscheiden muss: entweder den Stadtteil heizen oder CO2 abscheiden, beides gleichzeitig geht nicht.
In jedem Fall benötigt die CO2-Abscheidung und der gesamte weitere Prozess große Mengen Energie. Dass man in diesem Fall nicht auf fossile Quellen zurückgreifen kann, ist wohl auch den Planern klar. Wie lässt sich das dann aber mit der bayerischen Windkraft-Ablehnung vereinbaren?
Einstweilen werden offenbar Interviewerinnen auf Mitglieder CCS-kritischer Organisationen angesetzt. Man hofft, dass sie etwas über ihre Strategien ausplaudern, damit man Gegenmaßnahmen entwickeln kann. Doch wie ausgeklügelt soziologische und psychologische Techniken auch sein mögen, sie können nichts daran ändern, dass CCS teuer, energieintensiv, leckagengefährdet und klimaschädlich ist. Wie will man bei dieser Sachlage Menschen dazu bringen, CCS zu befürworten, wenn sie nicht gerade in der Gasindustrie ihre Brötchen verdienen?
Wenn Bayern sich etwas Gutes tun will, sollte es sich von Niedersachsen und der Sieben-Länder-Gruppe inspirieren lassen!
— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —
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