Bundesnetzagentur präferiert dynamische Netzentgeltkomponenten und verpflichtende Baukostenzuschüsse – pv magazine Deutschland


Die Behörde hat in einem Sachstandsbericht konkrete Vorschläge unterbreitet, in welche Richtung die Netzentgelte und Baukostenzuschüsse künftig ausgestaltet werden soll. In Expertenworkshops will die Bundesnetzagentur die Ideen jedoch noch weiter vertiefen und auf Praktikabilität prüfen.

Im Mai 2025 hat die Bundesnetzagentur das Verfahren zur Festlegung der Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom – oder kurz AgNes – mit einem Diskussionspapier eröffnet. Nun ein halbes Jahr später legt die Behörde ein Sachstandsbericht vor, der konkrete Vorschläge enthält, in welche Richtung die Netzentgelte in Zukunft weiterentwickelt werden sollen. „Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse und unter intensivem Austausch mit den für den AgNes-Prozess bestellten Gutachtern verdichtet die Bundesnetzagentur den Gestaltungsraum“, heißt es im Bericht. Allerdings sollen nun Expertenworkshops folgen, in denen die Ideen vertieft diskutiert und auf Praktikabilität geprüft werden sollen. Die finale Festlegung wird wohl erst im nächsten Jahr erfolgen.

Doch in welche Richtung tendiert die Bundesnetzagentur? „Künftig sollen Netzentgelte vor allem durch zwei konzeptionell zu unterscheidende Arten von Entgeltkomponenten gebildet werden, einerseits Entgeltkomponenten mit Finanzierungsfunktion und andererseits Entgeltkomponenten mit Anreizfunktion“, heißt es im Bericht. Zudem will die Bundesnetzagentur an Entgelten für Messung und Messtellenbetrieb sowie anlassbezogene Entgelte wie den Baukostenzuschuss festhalten. „Entgeltkomponenten mit Finanzierungsfunktion sollen die Netzkosten bereits weitgehend sicher refinanzieren“, heißt es weiter. Entgeltkomponenten mit Anreizfunktion sollen dagegen  Kostenwirkungen von kurzfristigen Einsatz- oder langfristigen Investitionsentscheidungen internalisieren.

Bei Entgeltkomponenten mit Finanzierungsfunktion sieht die Bundesnetzagentur wenig Einfluss auf das Verhalten der Netznutzer. Für Verbraucher ab Mittel- und Niederspannungsebene sowie Verbraucher in der Niederspannungsebene mit einem Jahresverbrauch größer 100.000 Kilowattstunden soll dies mit zwei Netzentgeltkomponenten erfüllt werden: einem Preis für die bestellte Kapazität und einem statischen Arbeitspreis. Dabei schlägt die Bundesnetzagentur einen zweistufig ausgestalteten Arbeitspreis vor. Arbeitspreis 1 sei für die Bezugsmenge unterhalb der bestellten Kapazität und Arbeitspreis 2 für die Bezugsmengen oberhalb der gewählten Kapazität. Letzteres soll Netznutzer zu „einer rationalen Kapazitätsbestellung“ motivieren. Bei einem Jahresverbrauch von unter 100.000 Kilowattstunden in der Niederspannung soll am bisherigen System aus Arbeitspreis- und Grundpreiskomponente festgehalten werden. Prosumer wiederum – also Haushalte die über eine eigene Photovoltaik-Anlage mit oder ohne Speicher verfügen und einen Teil ihres Bedarfs so selbst decken können – schlägt die Bundesnetzagentur einen erhöhten Grundpreis vor, um sie fair an der Finanzierung der Netze zu beteiligen.

Als Entgeltkomponenten mit Anreizfunktion sieht die Behörde dynamische Arbeitspreise. Sie seien nicht bestimmt, um Mehreinnahmen zu generieren. Sie könnten jedoch zu Mehr- und Mindereinnahmen für Netzbetreiber führen, die dann der Netzfinanzierung diesen, so der Bericht. Anreize, die Netzsituation bei Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen, sollten zudem über Baukostenzuschüsse erfolgen. „Die Überlegungen zur Beteiligung von Einspeisern und Speichern an der Netzfinanzierung sind nicht abgeschlossen und stehen daher in diesem Sachstandspapier nicht im Fokus“, heißt es im Bericht. Die Grundgedanken ließen sich aber gegebenenfalls übertragen oder entsprechend anpassen.

Lieber zwei statt drei Preiskomponenten

In dem Bericht wird von der Bundesnetzagentur zwischen drei Preiskomponenten unterschieden: Arbeitspreise, Leistungs- und Kapazitätspreise sowie Grundpreise. „Angesichts der Vor- und Nachteile jeder der Komponenten erscheint es der Beschlusskammer beim heutigen Stand der Meinungsbildung naheliegend, zwei Komponenten zu kombinieren. Eine Kombination aus drei Komponenten würde die Komplexität deutlich erhöhen und müsste daher schon einen sehr großen Mehrwert bieten, sodass weiterhin viel für eine zweigliedrige Systematik spricht“, heißt es weiter.

In dem Papier führt die Bundesnetzagentur auch ihre Überlegungen zu der Ausgestaltung der Netzentgelte ab Mittel- und Niederspannungsebene und Kunden in der Niederspannung mit mehr als 100.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch sowie Kunden, die unter diesem Wert bleiben aus.

Gesondert behandelt werden auch die Prosumer, für die die Bundesnetzagentur verschiedene Optionen vorschlägt. Der erste ist der höhere Grundpreis, der in der bisherigen Konsultation jedoch in einigen Stellungnahmen heftig kritisiert worden sei. „Die generelle Wirkungsweise einer Grundpreiserhöhung ist die, dass Arbeitspreise reduziert werden, da mehr Netzkosten nutzungsunabhängig finanziert werden. Würden die Grundpreise für alle Letztverbraucher erhöht, müssten insbesondere Kleinstverbraucher mehr bezahlen“, argumentiert die Behörde im Bericht. „Erhöht man stattdessen den Grundpreis lediglich für Prosumer, steigt der Anteil der Netzkosten, der über die Grundpreiskomponente abgedeckt wird. So werden reine Verbraucher, insbesondere Kleinstverbraucher nicht zusätzlich belastet. Der Kostenanteil, der über Arbeitspreise zu decken ist, sinkt sogar.“ Allerdings hätten bei diesem Modell große Prosumer sogar noch Vorteile gegenüber dem aktuell bestehenden System.

Eine Alternative wäre daher, beim tatsächlichen Verbrauchsverhalten anzusetzen und einen saisonalen Arbeitspreis festzulegen. Dies wäre ein niedriger Arbeitspreis im Sommer und ein hoher im Winter. Prosumer würden so einen stärkeren Finanzierungsbeitrag leisten. „Allerdings haben erste quantitative Analysen gezeigt, dass hierbei für Prosumer nur geringe zusätzliche Finanzierungsbeiträge zu erzielen sind, wenn nur eine moderate Spreizung gewählt würde und auch im Winterhalbjahr Eigenverbrauchsvorteile erzielt werden könnten“, schränkt die Bundesnetzagentur gleich wieder ein. Zudem würde die Komplexität steigen und Heizen mit Strom zusätzlich belastet.

Als dritte Variante wird im Bericht ein Kapazitätspreis für alle Kunden in der Niederspannungsebene diskutiert. Doch hier zeigt sich eine gewisse Skepsis: „Aufgrund der hohen Durchmischung des Verbrauchs in der Niederspannung, stellt sich allerdings die Frage, ob ein Kapazitätspreis gerechtfertigt ist und welche Anreize damit einhergehen. Insbesondere steuerbare Verbraucher (§14a-Anlagen) stellen ein großes Flexibilitätspotenzial dar, das für den Strommarkt erschlossen werden sollte.“

Unter Abwägung der Vor- und Nachteile aller Optionen hält die Bundesnetzagentur einen erhöhten Grundpreis für Prosumer für den sinnvollsten Weg. Allerdings sollte die Erhöhung so erfolgen, dass über alle Nutzergruppen hinweg der Erlösanteil des Grundpreises gleich bleibe. „Dies schafft eine stärkere Beteiligung von Prosumern verschiedener Größenordnung und vermeidet die Nachteile, neue Hemmnisse für flexibles Verhalten oder die Sektorenkopplung zu schaffen“, heißt es im Bericht. Gleichzeitig solle der Umsetzungsaufwand in Grenzen gehalten werden.

Dynmischer Arbeitspreis hat Anreizwirkung

Eine Anreizwirkung für ein netzschonendes oder netzdienliches Verhalten lässt sich aus Sicht der Bundesnetzagentur am ehesten mit einer dynamischen Entgeltkomponente erreichen. „Dynamische Arbeitspreise scheinen hierfür die geeignetere Komponente zu sein, da sich Anreizwirkungen präziser einstellen lassen als bei statischen Leistungs- oder Kapazitätspreisen. Diese Anreize können zum einen auf kurzfristig variable Netzkosten wie die Netzverlustkosten und die Engpassmanagementkosten abzielen“, heißt es im Bericht. Eine dynamische Arbeitspreiskomponente könnte dabei symmetrisch und vorzeichengerecht ausgestaltet werden. „In Abhängigkeit der Einsatzentscheidung und Position zum Engpass würde ein Netzentgelt zusätzlich vom Netznutzer erhoben oder ausgezahlt und zwar dort und dann – und auch nur dort und dann – wenn eine Engpasssituation droht.“ Für einzelne Netznutzer könnten damit auch Nettoauszahlungen möglich sein. Der dynamische Arbeitspreis müsste zeitlich und örtlich granular ausgestaltet werden. Nur so könne er die volatile Belastungs- und Engpasssituation im Netz abbilden.

Die Bundesnetzagentur sieht durchaus Schwierigkeiten bei der Festlegung der dynamischen Entgelte: „Die signalgebenden Netzbetreiber müssen in der Lage sein, örtlich differenzierte Prognosen über Belastungen und Engpässe zu erstellen und in räumlich und zeitlich differenzierte Preise umzusetzen.“ Zudem braucht es auf der Seite der Netznutzer intelligente Messysteme. Dazu kommt die Frage, für welche Nutzergruppen sich überhaupt Anreize aus dynamischen Arbeitspreisen ergeben. Bei Batteriespeichern wird dabei „ein großes preissensibles Potenzial gesehen“, während es bei der Industrie kurzfristig wohl wenig Potenzial geben werde. Die Bundesnetzagentur schlägt daher vor, mit dem Modell bei den Stand-alone-Batteriespeichern in oberen Spannungsebenen zu beginnen. Dann könne geprüft werden, ob und auf welche Nutzergruppen es sich in den unteren Spannungsebenen übertragen lasse.

Baukostenzuschuss sollte verpflichtend werden

Der letzte Punkt in dem 13-seitigen Bericht der Bundesnetzagentur befasst sich näher mit den Anreizen von Investitionsentscheidungen. „Die direkteste Möglichkeit“ dazu sieht die Bundesnetzagentur in Baukostenzuschüssen. „Baukostenzuschüsse sind primär ein Instrument, um eine unnötig hohe Nachfrage nach Anschlusskapazität zu dämpfen, indem tatsächliche oder pauschalierte Ausbaukosten in angemessenem Umfang in einen Preis für den Netzanschluss internalisiert werden“, heißt es im Bericht. Zudem könnten die Baukostenzuschüsse gezielte Anreize für die Wahl des Anschlussortes setzen. Als Entgeltkomponente könnte die Höhe nach der im Einzelfall tatsächlich auftretenden Kostenwirkung ermittelt werden. Allerdings sei „eine gewisse Pauschalisierung bei der Bemessung“ erforderlich. Andernfalls entstünde ein immenser Ermittlungsaufwand, wie die Bundesnetzagentur schreibt. Zudem müssten standardisierte Vorgaben zur Berechnung des Baukostenzuschusses festgelegt werden.

„Die Erhebung von Baukostenzuschüssen ist heute den Netzbetreibern freigestellt. Zu prüfen wäre eine angesichts des Mangels an Netzanschlusskapazität und der hohen Kosten des Netzausbaus naheliegende verpflichtende Erhebung von Baukostenzuschüssen“, heißt es im Bericht. Außerdem schließt die Bundesnetzagentur ausdrücklich nicht aus, dass im Zuge der weiteren Überlegungen noch Baukostenzuschüsse für Einspeiser erhoben werden sollten

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