Bundestag entscheidet zu Übergangsregelung für Kundenanlagen – pv magazine Deutschland


Ein BGH-Urteil vom Mai hat Mieterstromprojekten und anderen Photovoltaik-Konzepten eine unsichere Rechtsposition beschert. Der Entwurf der Bundesregierung zur EnWG-Novelle geht hierauf aber nicht ein. Union und SPD haben in letzter Minute zumindest eine provisorische Regelung eingebaut. Überzeugend ist die aber nicht.

Am Donnerstag stehen wichtige Änderungen im Energiewirtschaftsrecht auf der Tagesordnung des Bundestags. Bei der Abstimmung (nach Redaktionsschluss) wird damit aller Voraussicht nach auch ein am 10. November im Wirtschaftsausschuss eingebrachter Änderungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD zum Thema „Kundenanlage“ in das „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Energiebereich sowie zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften“ aufgenommen. Damit soll die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom November 2024 und dessen für viele Fachleute überraschenden Interpretation durch einen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom vergangenen Mai zumindest übergangsweise Rechtssicherheit geschaffen werden.

Der Hintergrund, in aller Kürze: Mieterstromprojekte, gemeinschaftliche Gebäudeversorgung, aber auch viele Konzepte zur Eigenversorgung beispielsweise von Industriebetrieben fußen auf dem im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) definierten Begriff der Kundenanlage. Dieser verschafft ihnen vor allem die Befreiung von Netzentgelten und den regulatorischen Pflichten eines Verteilnetzbetreibers. Der EuGH hatte aber befunden, dass diese Regelungen im nationalen deutschen Recht teilweise im Widerspruch zu europäischem Recht stehen. Der BGH, der wegen eines ihm vorliegenden Falles die EU-Kollegen eingeschaltet hatte, legte deren Entscheidung dann in der Begründung seines eigenen Urteils sehr weitreichend aus. Im Ergebnis verloren, so der Konsens von Rechtsexperten, insbesondere solche Konzepte zur Nutzung von Kundenanlagen ihre Rechtsgrundlage, die über mehr als ein Grundstück hinausgehen. Quartiersstromversorgung oder Energy Sharing werden damit erheblich behindert.

Vorschläge für rechtssichere Regelung

Das für den nun im Bundestag vorliegenden Gesetzentwurf federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sah sich offenbar nicht in der Lage, hierauf einzugehen: Obwohl das EuGH-Urteil nun ein Jahr und das BGH-Urteil sechs Monate zurückliegt, blieben die Regelungen zur Kundenanlage im Gesetzentwurf unverändert.

Die betroffenen Branchen hatten sich hingegen dafür eingesetzt, durch entsprechende Neudefinition wichtiger Begriffe auf nationaler und EU-Ebene eine rechtssichere Position zu schaffen. So hatte etwa ein Rechtsgutachten der Kanzlei Nümann + Siebert im Auftrag des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW-Solar) und der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) ergeben, dass es mit Änderungen in der nationalen Gesetzgebung möglich sei, die Kundenanlage von Regelungen für Verteilernetze auszunehmen und nur die wirklich verpflichtenden EU-Vorgaben auf sie anzuwenden. Als ein „Verteilernetz light“ könne sie damit ohne die umfassenden nationalen Regeln für Energieversorgungsnetze weiterbestehen.

Regierung bleibt in der Pflicht

Union und SPD haben nun in ihrem Änderungsantrag den Versuch unternommen, der Kundenanlage eine Atempause von drei Jahren zu verschaffen. Sofern solche Anlagen vor Inkrafttreten des Gesetzes an ein vorgelagertes Energieversorgungsnetz angeschlossen wurden, sollen die Vorgaben zur Regulierung erst ab Januar 2029 Anwendung finden.

Dieser Vorschlag, so Peter Nümann auf Anfrage von pv magazine, ist „rein pragmatisch betrachtet besser als nichts“. Ein Lob ist das wohl kaum, und nicht nur Nümann äußert gravierende Bedenken, ob sich mit dieser Regelung tatsächlich eine zumindest eingeschränkte Rechtssicherheit schaffen lässt. „Eine inhaltliche Lösung des Konflikts zwischen der nationalen Rechtslage und den verbindlichen unionsrechtlichen Vorgaben ist das definitiv noch nicht“, befindet etwa Sebastian Helmes, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Kanzlei Dentons, in einem Linkedin-Beitrag. Immerhin aber würde die Regelung „den Betreibern Zeit verschaffen, um sich auf die Pflichten vorzubereiten.“

Die dreijährige Karenzzeit würde ohnehin nur für bestehende Kundenlagen gelten – dies wohl auch für neue Projekte, die innerhalb solcher Anlagen umgesetzt werden, aber eben ausdrücklich nicht für Vorhaben, bei denen eine Kundenanlage zunächst neu angemeldet werden muss. Überdies, so Heidrun Schalle von der Aecoute Partnerschaft von Rechtsanwälten ebenfalls auf Linkedin, „beißt sich hier die Katze in den Schwanz: Wenn der nationale Gesetzgeber die nationale Regulierung für Bestandsanlagen regeln darf, warum nicht für alle Kundenanlagen?“

Kritik übt auch Frank Brachvogel, Geschäftsführer beim Netzwerk für Quartierslösungen und Sektorkopplung ODH Open District Hub: „Der Anwendungsbereich für neue Quartiersprojekte über Grundstücks- und Gebäudegrenzen hinweg bleibt klein und ist weiterhin nicht als Kundenanlage umsetzbar.“ Gerade das von der EU ausdrücklich geforderte Energy Sharing werde damit „in Deutschland weiterhin ausgebremst“. Der Gesetzgeber bleibe aufgefordert, „eine Regelung für die Planungs- und Investitionssicherheit unserer Unternehmen zu schaffen, die für neue Kundenanlagen auch wirtschaftlich attraktiv ist“.

Zweifel an der Dreijahresfrist

Dies entspricht im Prinzip auch der Intention des Änderungsantrags von Union und SPD. Die Übergangsregelung, heißt es in dessen Begründung, „soll zum einen ermöglichen, die notwendigen Anpassungen des nationalen Rechtsrahmens unter Beteiligung aller betroffenen Akteure sowie gegebenenfalls der Europäischen Kommission zu erarbeiten. Zum anderen soll Modellen, für die eine Anpassung an die regulatorischen Anforderungen eines Netzbetreibers möglich erscheint, ausreichend Zeit eingeräumt werden, um sich auf die neue Rechtslage einzustellen und notwendige strukturelle Anpassungen zu veranlassen.“

Es bleiben allerdings erhebliche Zweifel, ob selbst diese Dreijahresfrist vor einem Gericht Bestand haben würde. Der EuGH, so Nümann, habe ja ausdrücklich entschieden, dass der deutsche Gesetzgeber keine Ausnahme vornehmen darf, die nicht in der entsprechenden EU-Richtlinie (der sogenannten Strombinnenmarktrichtlinie) selbst vorgesehen ist. Nun aber werde eine Regelung des deutschen Gesetzgebers vorgeschlagen, die für Bestandsanlagen eine befristete Ausnahme von dieser Regulierung vorsieht. Das sei in etwa so, „als würde der Supermarktleiter, der gerade vom Ordnungsamt ermahnt wurde, keinen Alkohol an Minderjährige zu verkaufen, diesen nun per Kassenaushang eine dreijährige Übergangsfrist einräumen.“

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