Die Bundeswirtschaftsministerin will die Einspeisevergütung für kleine Photovoltaik-Dachanlagen abschaffen und Erneuerbare stärker an den Netzkosten beteiligen. Das Echo aus der Branche ist eindeutig.
Dass Katherina Reiche keine ausgewiesene Freundin der Photovoltaik ist, haben ihre ersten Wochen im Amt gezeigt. Doch mit ihrem Vorstoß am Wochenende hat sie dem nun die Krone aufgesetzt. So soll es künftig selbst für kleine Photovoltaik-Dachanlagen keine Einspeisevergütung mehr geben, sondern sie sollen ihre Erlöse durch die Direktvermarktung generieren, erklärte die CDU-Bundeswirtschaftsministerin in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“.
Die Reaktionen aus der Solar- und Erneuerbaren-Branche ließen auch nicht lange auf sich warten. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) warnte, dass die Umsetzung solcher Pläne sowohl die Klimaziele gefährden als auch die Branche mit ihren rund 150.000 Beschäftigten stark schädigen würde. Es brauche vielmehr verlässliche Investitionsbedingungen in allen Photovoltaik-Marktsegmenten. Dazu gehört auch eine Förderung für Solarstrom, der nicht selbst verbraucht werden könne, erklärte der Verband. Aus seiner Sicht sollte die Politik lieber dafür sorgen, dass der „Photovoltaik-Ausbau für alle relevanten Marktsegmente auf Zielkurs“ gehalten sowie Speicher und Netze schneller ausgebaut werden. Der BSW-Solar verwies zudem auf das Ergebnis einer Umfrage unter Photovoltaik-Installationsbetrieben. So würden nur vier von zehn Kunden ohne eine Förderung noch in eine private Photovoltaik-Dachanlage investieren.
Auch eine stärkere Beteiligung solarer Prosumer an den Netzkosten hält der BSW-Solar für nicht angemessen. Die meisten Photovoltaik-Dachanlagen würden bereits jetzt in Kombination mit Batteriespeichern, Elektroautos, Klimaanlagen oder Wärmepumpen installiert und betrieben. Damit gewährleisteten sie eine effiziente Nutzung der Netzinfrastruktur. Zudem werde für selbst produzierten und vor Ort verbrauchten Solarstrom kein zusätzlicher Netzausbau benötigt. Diese Anlagen senkten im Gegenteil den Netzausbaubedarf und reduzierten damit die Kosten, so der Verband.
Beim Bundesverband des Solarhandwerks (BDSH) sieht man ebenfalls ein hohes Risiko für einen Markteinbruch durch Reiches Vorstoß. Gleichzeitig sieht der Verband auch Änderungsbedarf am bestehenden System. „Die Einspeisevergütung braucht zwar eine Erneuerung, aber eine Streichung ohne Alternativen ist der falsche Weg und würde zu einem Nachfrageloch führen“, erklärte der BDSH. Er zeigte sich auch gesprächsbereit: „Soweit es um die Abschaffung der Einspeisevergütung geht, stehen wir bereit, um ein Stufenmodell weg von den starren Vergütungssätzen hin zu marktbasierten Lösungen auszuarbeiten.“
„Die Branche leidet mehr denn je unter der Unsicherheit, die gerade jetzt wieder zusätzlich geschürt wird“, heißt es weiter mit Blick auf Reiche. Dies liege vor allem daran, dass sie die Abschaffung der Einspeisevergütung ohne Alternativpläne in den Raum gestellt habe. „Es fehlt an einem Masterplan seitens der Ministerin, wie der Photovoltaik-Ausbau vonstattengehen soll. Stattdessen ist die Branche gefühlt unter Dauerbeschuss und kommt nicht zur Ruhe“, kritisiert der BDSH. In einem 5-Punkte hat der Verband verschiedene Ansatzpunkte ausgearbeitet, wie der Zubau von Dachanlagen forciert werden könnte. Darin enthalten ist eine konsequente und technisch vereinfachte Umsetzung des Rollouts intelligenter Messsysteme, eine bundesweit einheitliche, digitale Abwicklungsplattform und der Abbau überzogener Dokumentationspflichten beim Netzanschluss, faire Rahmenbedingungen für Energy Sharing und Mieterstrom sowie die Stärkung des mittelständischen Solarhandwerks. Punkt vier in dem 5-Punkte-Plan des BDSH hat Reiche allerdings schon einmal konterkariert. Es ist die Forderung des Verbands nach einer verlässlichen politischen Kommunikation, langfristigen Förderperspektiven und stabilen Rahmenbedingungen.
Carolin Dähling, Bereichsleiterin Politik und Kommunikation bei Green Planet Energy, erklärt zu Reiches Äußerung vom Wochenende: „Das Framing der Wirtschaftsministerin von Wind und Solar als Kostentreiber ist falsch und gefährlich. So setzen wir die Akzeptanz für die Energiewende aufs Spiel.“ Die privaten Photovoltaik-Dachanlagen seien „ein niedrigschwelliger Einstieg zu Elektromobilität und Wärmewende“. Die von Greenpeace gegründete Energiegenossenschaft forderte die Ministerin auf, seriöse Vorschläge vorzulegen statt populistische Debatten zu starten. „Um das Energiesystem effizient auf 100-Prozent Erneuerbare umzustellen, braucht es eine sinnvolle Reform der Einspeisevergütung, die finanzielle Anreize so setzt, dass sich die Anlagen automatisiert systemdienlich verhalten“, sagte Dähling.
Und wie sieht man die Vorschläge bei „New Solar“? „Wir dürfen nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Bevor wir die Einspeisevergütung abschaffen, brauchen wir zuerst eine Systemmodernisierung für mehr Digitalisierung und bessere Prozesse: der flächendeckende Smart-Meter-Rollout, einfache Abstimmungen mit Verteilnetzbetreibern und klare Marktkommunikationsregeln sind dafür grundlegend“, kommentierte Philipp Schröder, CEO und Mitgründer von 1Komma5°. „Die Politik muss jetzt eine ernst gemeinte Qualitätsoffensive starten. Solange Prozesse haken und Daten nicht zuverlässig ausgetauscht werden, gibt es keine verlässliche Basis für die Umstellung der Förderung.“ Auch er warnt vor einem kompletten Stillstand, wenn es keine weitere Planungssicherheit für die Branche gibt.*
Ein Seitenhieb auf „Old Solar“ kommt dann auch noch: „Gleichzeitig verursachen vor allem alte, vollständig ungesteuerte Anlagen hohe Kosten nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Hier müssen dringend Speicher nachgerüstet werden, die netzdienlich steuern können.“ Flexibilität und Steuerbarkeit verursachten keine Extrakosten, so Schröder weiter, allerdings müssten sie wirksam umgesetzt werden, damit der günstige Solarstrom bei allen ankomme.
„Klar ist: Die Einspeisevergütung, wie sie heute funktioniert, basiert nicht auf smarten Signalen aus dem Markt. Sie sollte schrittweise auf ein marktnahes Modell umgestellt werden. Die geförderte Direktvermarktung ist hier der Schlüssel mit intelligenter Steuerung, Speichern und der Möglichkeit, dass auch kleine Anlagen aktiv am Markt teilnehmen“, sagt Schröder weiter. Ziel sei ein digitales, flexibles und effizientes Energiesystem.
Bei Enpal fordert man schon seit längerem, die Direktvermarktung auch auf kleinere Photovoltaik-Anlagen auszuweiten. Markus Meyer, Politikchef beim Unternehmen, erklärte zu Reiches Aussagen: „Solaranlagen sollten zügig in den Markt integriert werden. Dafür braucht es jedoch einen klaren regulatorischen Rahmen und reibungslose Prozesse, um die Direktvermarktung massentauglich zu gestalten. Die Politik sollte jetzt nicht den Fehler machen, den zweiten Schritt vor dem ersten zu gehen.“
*Anmerkung der Redaktion: Den Satz haben wir nachträglich richtiggestellt. Er war in der Ursprungsversion falsch formuliert. Wir bitten, dies zu entschuldigen.
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