Marktwert Solar springt im Juli auf 5,8 Cent pro Kilowattstunde bei nur 11 Stunden leicht negativer Preise – pv magazine Deutschland


Es gibt zu viel Solarstrom! Der Ausbau der Photovoltaik geht viel zu schnell! Die Minuspreise an der Strombörse werden immer schlimmer! Wir haben keinen so hohen Strombedarf! Die Solarspitze muss weg!

Seitdem die Anzahl der Stunden mit negativen Preisen an der Strombörse bei hohen Solareinspeisungen gestiegen ist, hören wir immer mehr von den diesen Alarmrufen. Sei es von der neuen Bundeswirtschaftsministerin oder auch von Seiten diverser anderer Marktakteure.

Und es schien so klar zu sein:

Mit immer mehr installierter Photovoltaik-Leistung steigt vor allem im Sommerhalbjahr die Menge mittags gleichzeitig produzierter Solarenergie, während sich der Bedarf natürlich über den ganzen Tag verteilt. So gab es dann auch im Mai und Juni 2025 neue Rekorde bei der Anzahl der Minusstunden. „Und das wird immer schlimmer je mehr Photovoltaik installiert wird“, so die vielfach laut geäußerte Meinung.

Schaut man jetzt nur auf den Juli 2025 in Deutschland könnte man sagen, „das war das schlechte Solarwetter“. So einfach ist es aber nicht, vor allem wird es deutlicher, wenn man den Juli 2025 mit dem Juli 2024 und der Zeit dazwischen vergleicht. Und sich ansieht, was in den Nachbarländern und mit anderen Energieträgern wie der Wasserkraft in Deutschland passiert ist.

Schon im Mai und Juni 2025 zeigte sich bei bestem Solarwetter in Deutschland, dass die Preise auch zur Mittagszeit nicht wie von einigen Untergangspropheten erwartet immer tiefer fielen. Sondern an den meisten Tagen nur ganz leicht unter der Null-Linie verharrten. Verglichen mit den Vorjahren führte also auch in diesen sehr sonnigen Monaten die wesentlich größere installierte solare Kapazität nicht zu immer tieferen Minuspreisen. Trotz aller vorhandenen Hürden und großem weiteren Reformbedarf, hat sich der Markt offensichtlich mit vorhanden Flexibilität bereits optimiert.

Der Monat Juli 2025 zerreißt nun weitere der vorher genannten Gewissheiten und fälschlicherweise angenommen Monokausalitäten:

Mit einem Marktwert für den Solarstrom, der bei etwa 5,8 Cent pro Kilowattstunde liegen wird und einer nahezu lächerlichen Zahl von nur 11 Minusstunden bei Preisen die nur ganz, ganz leicht unter der Null-Linie lagen, wird deutlich, wie fragil das Gleichgewicht aus den vielen verschiedenen Preis bestimmenden Aspekten ist.

Das deutlich veränderte Gleichgewicht des Marktes im Monat Juli 2025 gibt auch einen Vorgeschmack auf eine Preisentwicklung mit dem ganz sicher kommenden anziehenden Stromverbrauch, sofern der Ausbau der erneuerbaren Energien jetzt gebremst wird. Kaum ist ein Sommermonat mit etwas schlechteren Solarwetter versehen, schon geht der Marktwert für den Solarstrom mit samt dem Gesamtpreis für den Strom deutlich nach oben. Oder umgekehrt betrachtet: Wäre der Strombedarf in Deutschland im Mai und Juni 2025 nur einige Prozent höher gewesen, als wir es derzeit erleben, wären auch da die Marktwerte für den Solarstrom deutlich höher gewesen.

Natürlich ist auch dies keine monokausale Entwicklung – einige weitere Facetten:

Der Stromverbrauch ist gegenüber dem Vorjahr noch im 2. Quartal 2025 um 1,9 Prozent gegenüber Q2/2024 gesunken. Die Residuallast war dann im Juli 2025 aber auf dem Niveau des Juli 2024. Auch der Gaspreis war im Juli 2025 nur leicht über dem des Juli 2024, gleiches gilt für die CO2- Preise.

In Deutschland lag durch die vom Klimawandel begünstige Dürre des ersten Halbjahrs die Stromerzeugung durch Wasserkraft um satte 21 Prozent unter dem Juli 2024 und so mussten fossile Energieträger circa 11 Prozent mehr genutzt werden als noch 2024.

Auch die veränderte Erzeugungs- und Verbrauchssituation sowie daraus resultierende Preissituation in den Nachbarländern spielen eine wichtige Rolle: So sanken die Importe um drastische 30 Prozent gegenüber Juli 2024, während die Preise in den direkten Nachbarländern fast überall höher waren als im Juli 2024. Besonders die reduzierte Leistung der Atomkraftwerke in Frankreich schafft es davon in die deutschen Medien.

Bemerkenswert ist, dass wir Juli 2024 etwa 17 Gigawatt weniger installierte Photovoltaik-Leistung hatten und dennoch in dem Monat etwa die gleiche Menge Solarstrom produzierten wie im Juli 2025. Dennoch gab es im Juli 2024 insgesamt 86 negative Stunden mit Preisen bis zu -7 Cent pro Kilowattstunde; im Juli 2025 nur 11 Minusstunden.

Das Solarwetter im Juli 2025 war deutlich schlechter als im Juli 2024, an vielen Standorten dürfte es der schlechteste Juli der letzten 15 Jahre gewesen sein.

Dennoch am Ende steht mehr solare Energieerzeugung im Monat Juli 2025 als noch im Juli 2024, weil schlichtweg 17 Gigawatt mehr Leistung installiert ist. Verglichen mit Mai und Juni 2025 allerdings rund 10 Prozent weniger Energieerzeugung im Juli 2025.

Mal ein paar Zahlen aus dem komplexen Gesamtbild zum Nachdenken:

Installierte Photovoltaik-Leistung:

Zu Beginn Juli 2024: 90 Gigawatt
Zu Beginn Juli 2025: 107 Gigawatt

Marktwert Solar

Juli 2024: 3,55 Cent pro Kilowattstunde
Juli 2025: 5,8 Cent pro Kilowattstunde

Selbst an Tagen mit hoher „Solar- und Windspitze“, wie dem 23.7.2025, wo die maximale deutsche Last um maximal 13 Gigawatt in der Mittagszeit überschritten wurde, gab es in dem Zeitraum keine Preise unter 2,3 Cent pro Kilowattstunde (im Plus!).

https://www.energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=DE

https://www.netztransparenz.de/de-de/Erneuerbare-Energien-und-Umlagen/EEG/Transparenzanforderungen/Marktpr%C3%A4mie/Spotmarktpreis-nach-3-Nr-42a-EEG

Solarstromerzeugung

Juli 2024: 8662 Gigawattstunden
Juli 2025: über 9000 Gigawattstunden erwartet

Windkrafterzeugung

Juli 2024: 7220 Gigawattstunden
Juli 2025: 6178 Gigawattstunden bis 26.7. – über 7220 Gigawattstunden erreichbar

Stunden mit negativen Börsenstrompreisen

Juli 2024:  81 Stunden  mit minus 1,2 Cent im Durchschnitt
Juli 2025: 11 Stunden mit minus circa 1 Cent im Durschnitt

Zum Weiterdenken und gestalten: Ist nun alles schick und Minuspreise passé?

Natürlich nicht, aber negative Börsenstrompreise und starke Volatilität beschleunigt den Umbau des Energiesystems. Sie sind natürlicher Begleiter und gut für den wettbewerblichen Systemumbau. Sie schaffen viele Chance für Effizienzgewinne. Das Gegenstück der Minuspreise, die wenigen Stunden im Jahr mit hohen Börsenpreisen tun dies ebenfalls: Sie animieren zur Einkaufs- und Prozessoptimierung oder auch wo passend zur Schaffung eigener Flexibilität, unter anderem durch Speicher. Und all das wird uns noch eine Weile weiter begleiten, bis der Systemumbau beendet ist.

Für den August 2025 rechnen wir mit einem Rückgang des Marktwerts Solar auf 2,5 bis 3,5 Cent pro Klowattstunde und ab September entsprechend wieder jahrzeitlich bedingt deutlich anziehenden Werten.

Zu wenig (oder weniger als erwartete) erneuerbare Energien waren ein wichtiger – aber nicht der einzige – Treiber zu höheren Strompreisen in der EU. Das sollte eine starke Warnung an alle sein die das Wachstum des Strombedarfs in der EU und in Deutschland gerade aus politischen Gründen klein reden: Wird der zugehörige Ausbau erneuerbarer Energie nun gebremst, so werden die Strompreise in wenigen Jahren explodieren.

Völlig neue Markt- und System-Gleichgewichte durch Batteriespeicher kommen schnell. Bereits jetzt wächst die Menge der verfügbaren stationären Speicherkapazitäten und der Markt nimmt im Bereich Großspeicher massiv an Fahrt auf. Zudem kommen jeden Tag tausende neuer Elektrofahrzeuge mit hohen Batteriekapazitäten hinzu. Bis 2030 wird die in Deutschland installierte stationäre Batteriekapazität trotz aller Hemmnisse 10- bis 20-mal größer sein als heute und zwischen 220 und 440 Gigawattstunden liegen, hinzu kommen mobile Speicher in den Autos im Terawattstunden-Bereich und es wird ganz normal sein, dass die solare Mittagsspitze kontrolliert in den Abend und die Nacht verschoben wird.

Die Kosten für Redispatch werden dadurch parallel implodieren und viele Stunden mit Minuspreisen werden der Vergangenheit angehören. Bis dahin werden wir noch viel Volatilität und unerwartete Preis beziehungsweise Preissignale sehen. Wir sollten uns über sie freuen, denn sie befeuern den Umbau in Richtung des Zielsystems mit 100 Prozent erneuerbaren Energien.

Dieser Beitrag ist unter Nutzung von Auswertungen von Ulrike Gunnemann, Electric Blue GmbH, entstanden, wofür ich mich sehr bedanke.

— Der Autor Karl-Heinz Remmers ist seit 1992 als Solarunternehmer tätig. Zu Beginn mit der Planung und Montage von Solaranlagen sowie der Produktion von Solarthermie-Kollektoren. Seit 1996 dann parallel unter dem Namen Solarpraxis mit eigenen Fachartikeln, Buch- und Zeitschriftenverlag und dem bis heute aktivem Solarpraxis Engineering. Zu den erfolgreichen Gründungen zählen auch die nun von namhaften Partnern gemachte pv magazine Group und die Konferenzserie „Forum Solar Plus“. Neben Solarpraxis Engineering sind heute Entwicklung, Planung, Errichtung und Betrieb von Solaranlagen als „IPP“ im Fokus der Aktivität. Zudem betreibt er aktive politische Arbeit im Rahmen des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne). Mehr hier: https://www.remmers.solar/ueber-mich/ —

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