Trotz der Verwerfungen im Bereich Modulpreise erwarten Frank Jessel und Michael Harre von Baywa re nicht, dass Systemkosten weiter signifikant sinken. Daher sei jetzt der Moment, in eine Photovoltaik-Anlage zu investieren. Die Nachfrage im Privatkundensegment wird vermutlich trotzdem noch etwas verhalten bleiben.
pv magazine: Der Markt ist aktuell rückläufig, insbesondere im Residential-Bereich. Teilweise waren die Preise sehr hoch, inzwischen sind sie deutlich gefallen. Wie geht es weiter?
Frank Jessel: Wir haben kurzfristig einen leichten Preisaufschwung gesehen, vor allem wegen der hohen Nachfrage in China. Diese Nachfrage ist inzwischen deutlich zurückgegangen, da dort am 1. Juni neue Tarife in Kraft getreten sind, und gleichzeitig Subventionen angepasst wurden. Das bisherige staatlich regulierte Einspeisetarifsystem wurde durch einen marktbasierten Strompreis für Photovoltaik-Anlagen ersetzt. Nach der Intersolar in München sind die Preise um circa zehn bis zwölf Prozent gesunken, lagen aber immer noch über dem niedrigsten Niveau des Vorjahres. Nach aktuellem Stand erwarte ich, sofern überhaupt, nur noch moderate Preisrückgänge, da in China Maßnahmen zur Reduzierung von Überkapazitäten ergriffen werden.
Wird sich das stark auf die Systempreise auswirken? Und lohnt es sich für Kunden, jetzt noch zu warten?
Frank Jessel: Die Preise sind bereits auf einem niedrigen Niveau. Der größere Hebel liegt eher bei Speichern, die einen höheren Anteil an den Gesamtkosten haben. Aktuell sehen wir in diesem Bereich vereinzelt leichte Preisanpassungen. Wechselrichter sind ebenfalls vergleichsweise günstig. Ich sehe also keine starken Effekte auf die Systempreise.
Wir sind bei den Systemkosten also am Tiefpunkt angekommen?
Michael Harre: Aus meiner Sicht kann ich das für den deutschen Markt bestätigen. Das spiegeln auch unsere Partner und Installateure wieder. Die Margen sind inzwischen so knapp, da ist kaum noch Luft nach unten. Ich rechne daher nicht mit weiteren Rückgängen.
Frank Jessel: Ein Blick in die Quartalsberichte chinesischer Modulhersteller zeigt: Fast alle schreiben derzeit rote Zahlen. Die Branche muss irgendwann wieder profitabel werden. Alle sind bestrebt, ihre Margen zu verbessern, denn ohne wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle drohen langfristig weitere Insolvenzen. Meiner Ansicht nach wird sich die Mehrheit der Marktteilnehmer bemühen, die Preise stabil zu halten beziehungsweise die Preise eher wieder zu erhöhen. Bevor sich der Preiskampf entspannen kann, müssen jedoch die Lagerbestände entlang der gesamten Wertschöpfungskette weiter abgebaut werden. Genau darauf haben wir im vergangenen Jahr den Fokus gelegt und die Lagerumschlagshäufigkeit signifikant verbessert.
Das war der Pitch, dass jetzt alle sofort kaufen sollen?
Frank Jessel: Es ist nie zu früh dafür, und der Return of Invest ist in den meisten Ländern besser als je zuvor!
Schauen wir nochmal auf den Markt: Im Vergleich zum ersten Quartal 2024 ist das Segment unter 10 Kilowatt um 22 Prozent eingebrochen. Das drückt doch auch auf die Preise?
Michael Harre: Ja, das wirkt sich definitiv aus. Aber: Solaranlagen waren noch nie so günstig. Für Residential-Kunden ist jetzt der richtige Zeitpunkt, zu investieren. Das kommt in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht genug an. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir stärker betonen möchten. Es lohnt sich nicht, Kaufentscheidungen aufzuschieben. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um in eine Solaranlage – am besten mit weiteren Komponenten wie Speicher, Wallbox, Wärmepumpe und einem Energiemanagementsystem zu investieren.
Glauben Sie, dass das Residential-Segment bald wieder anzieht? Wie schätzen Sie den Druck durch steckerfertige Anlagen ein?
Michael Harre: Die steckerfertigen Anlagen sehen wir weiterhin als Nische. Das grundsätzliche Interesse an Aufdachanlagen ist ungebrochen. Viele Kunden sind aktuell nur zurückhaltend wegen der wirtschaftlichen Lage und schieben Kaufentscheidungen auf. Aber der Knoten wird platzen, davon bin ich überzeugt. Wir hatten im ersten Quartal nur 1,2 Gigawatt, aber werden mittelfristig wieder über 2 Gigawatt pro Quartal erreichen. Die Frage ist nur wann. Das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab.
Es ist ja öfter von Insolvenzen bei Installateuren die Rede. Sehen Sie Auswirkungen auf Ihre Partner?
Michael Harre: Ja, das beobachten wir tatsächlich. Einige Kunden zahlen schleppender, als wir es vor zwei, drei Jahren gewohnt waren. Auch Insolvenzen kommen vor. Das ist aber nicht überraschend – in den Boomjahren sind viele neue Player in den Markt gekommen, nicht alle haben einen überzeugenden Service und große Kompetenz aufgebaut. Es gab sicherlich auch eine ganze Reihe, die schnell gutes Geschäft machen wollten. Deswegen halte ich es für eine normale Sache, dass jetzt eine Konsolidierung auch auf Installateurs-Seite stattfindet. Die Guten werden bestehen bleiben, und wir schätzen uns glücklich, dass wir sehr viele starke Installateurspartner überall in Deutschland haben.
Wie hat sich das Großhandelsgeschäft bei Ihnen entwickelt?
Michael Harre: Für den deutschen Markt kann ich sagen: Mit der Baywa r.e. Solar Trade ist weiterhin zu rechnen. Wir haben im letzten Jahr sogar eine deutliche Anzahl an neuen Kunden hinzugewonnen, teils komplett neue Kunden, teils Kunden, die unseren Service und unsere Zuverlässigkeit mehr als bei anderen schätzen und daher verstärkt bei uns beziehen möchten. Wir hatten eine tolle Installateurs-Veranstaltung, unseren PV-Marktplatz in Tübingen mit circa 1000 Kunden, und sind überzeugt, eine sehr gute Kundenbasis zu haben,
Es gab finanzielle Schwierigkeiten bei Baywa r.e., man hört vor allem im Projektgeschäft. Betrifft Sie das?
Frank Jessel: Was Herr Harre sagte, stimmt: Unsere Kunden zeigen eine enorme Loyalität, und wir haben in der schwierigen Zeit sogar Kunden hinzugewonnen. Das zeigt, dass unsere Kundschaft uns bei Solar Trade eine große Loyalität entgegenbringt. Darüber freuen wir uns natürlich. Die Restrukturierung der Baywa r.e. ist in vollem Gange und mit der jüngst kommunizierten gesicherten Finanzierung bis 2029 sind wir gut aufgestellt.
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