Die Forscher schlagen vor, dass die öffentliche Hand eine solare Grundversorgung für alle schafft, um die Energieautonomie zu steigern, soziale Gerechtigkeit zu schaffen und weitere Investitionen in erneuerbare Energien zu fördern. In der Schweiz sollen es 500 Watt pro Person sein, wofür ein Drittel aller Dächer in der Schweiz mit einer Photovoltaik-Anlage versehen werden müsste. Innerhalb von fünf Jahren wäre das Modell umsetzbar.
Die Forscher vom Schweizer Institut Empa haben ein Modell der solaren Grundversorgung, also Solarstrom für alle, finanziert vom Staat vorgeschlagen. Demnach soll jeder Schweizer ein persönliches Solarstrom-Budget von 500 Watt -entspricht 4400 Kilowattstunden pro Jahr – erhalten – finanziert von der Allgemeinheit. Der Vorschlag kommt von den Empa-Forschern Harald Desing, Hauke Schlesier und Marcel Gauch aus der Abteilung «Technologie und Gesellschaft» und ist in der Fachzeitschrift «Progress in Energy» veröffentlicht.
Nach Ansicht der Forscher lässt sich damit „die Energiewende rasch, nachhaltig und sozialverträglich“ meistern –„auf der ganzen Welt, in der Schweiz oder auch nur in einer einzelnen Gemeinde“. «Viele essenzielle Dienste werden bereits als Grundversorgung zur Verfügung gestellt, etwa Straßen, Bildung sowie Wasserversorgung und Kanalisation. Warum nicht also auch die Grundlage für die Energiewende», fragt Harald Desing, Erstautor der Studie.
Den Forschern geht es bei ihrem Modell explizit um die Deckung einer Grundversorgung, nicht des ganzen Energiebedarfs. Auch Speicher sind nicht einkalkuliert. «Der Bau von Speichern verteuert die Energiewende», sagt Desing. «Deshalb gehört die Energiespeicherung in unserem Modell nicht zur Grundversorgung, sondern ist vielmehr eine Annehmlichkeit, die weitere private Investitionen erfordern wird.»
Die im Empa-Modell vorgesehenen 500 Watt würden in der Schweiz allerdings schon ausreichen, um die Stromlücke durch den Wegfall fossiler Energieträger zu schließen. Da sie nur verfügbar wären, wenn die Sonne scheint, sollen die Menschen und Unternehmen motiviert werden, ihr Verhalten anzupassen und den Strom dann zu verbrauche, wenn er kostenlos zur Verfügung steht. Die Empa-Forscher nennen das in ihrem Beitrag eine «Sonnenblumengesellschaft».
Die Forscher gehen davon aus, dass die 500 Watt mehr als ausreichend zur Deckung der Grund-Energiebedürfnisse der Bürger sind. Sie könnten daher die von ihnen ungenutzte Energie verkaufen. Denkbar sei, die Energieäquivalente als Zahlungsmittel für Elektromobilität oder den öffentlichen Verkehr zu verwenden. Menschen, die wenig Energie verbrauchen, profitieren davon am meisten – ein wichtiger sozialer Ausgleichsfaktor, heißt es von den Forschern.
«Heute setzt der Staat über Subventionen Anreize für die Energiewende», sagt Desing. «Davon profitiert aber nur der wohlhabende Teil der Gesellschaft, denn man muss Boden besitzen und das Restkapital stellen. In unserem Modell profitieren auch Mieterinnen und Mieter und Menschen ohne große Ersparnisse von der gemeinsamen Investition.»

Quelle: Empa
Für die Realisierung der 500 Watt pro Person müsste in der Schweiz dem Empa zufolge etwa jedes dritte Dach mit einer Photovoltaik-Anlage versehen werden. Auch Parkplätze, Lärmschutzwände und ungenutzte Flächen entlang von Autobahnen und Bahnlinien kämen für den Bau von Anlagen. Wichtig sei, dass vor allem die bereits bebaute Fläche zur Installation der Solarmodule verwendet werden und kein neuer Boden dafür umgenutzt werden muss, sagt Desing. Aus Sicht der Forscher lässt sich das Modell gut mit Photovoltaik realisieren, da sie schnell und dezentral zu installieren ist, sich gut ins Stadtbild einfügen lässt und auch wartungsarm ist. Zudem verursacht die Anlagen weder Lärm noch Sichtbeeinträchtigung, so die Forscher.
Für die Umsetzung ihrer Idee in der Schweiz wären eine Investition von rund 58 Milliarden Schweizer Franken innerhalb von fünf Jahren notwendig. Damit könnten die für die Grundversorgung notwendigen Photovoltaik-Anlagen gebaut werden. Die Summe sei vergleichbar mit den jährlichen Investitionen in Straßen oder entspreche dem Doppelten der Militärausgaben. Nach Berechnungen des Empa würden sich die Investitionen bereits innerhalb von sechs bis sieben Jahren nach der Inbetriebnahme der Photovoltaik-Anlagen amortisieren.
«Die Endverbraucher geben heute rund 20 Milliarden Franken pro Jahr für fossile Energieträger aus. Die solare Grundversorgung liefert genügend Strom, sodass diese Ausgaben auf Null reduziert werden könnten.» Die Kosten für die regelmäßige Erneuerung der öffentlichen Photovoltaik-Anlagen würden sich auf rund 6600 Schweizer Franken pro Person alle 30 Jahre belaufen, wie das Empa berechnet hat.
Um die Anlagen binnen fünf Jahren zu realisieren, braucht es rund 50.000 Fachkräfte. Dabei ließen sich viele dieser Jobs im Installationsbereich auch nach wenigen Wochen Training erledigen, so die Forscher. Nur ein Bruchteil der Fachkräfte brauche wirklich eine fundierte Ausbildung. «Es gibt schon heute sogenannte Solarcamps, wo man innert kürzester Zeit lernt, Solarpanels zu installieren», sagt Desing. Der Forscher können sich auch ein «Solarjahr» vorstellen, bei dem junge Menschen im Sinne des Gemeinschaftswohls arbeiten, beispielsweise als Alternative zum Militär- oder Zivildienst.
Das in der Studie beschriebene Modell sei ein erster Vorschlag und in vielen Punkten flexibel, sagt Harald Desing weiter. Seine genaue Umsetzung solle im öffentlichen Diskurs geklärt werden.
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