Eigenverbrauch. In Deutschland haben rund fünf Millionen Haushalte Photovoltaik-Anlagen auf ihren Dächern installiert. Es ist ein großer Erfolg, dass sich so viele Menschen derart aktiv für Klimaschutz einsetzen. Viele dieser Anlagen produzieren Strom, der dann direkt im eigenen Haushalt verbraucht wird. Lediglich der überschüssige Strom wird ins Netz eingespeist. Was jedoch Vielen nicht bekannt ist: Auch der selbst verbrauchte Strom wird in erheblichem Maße subventioniert.
Versteckte Subvention. Für den einzelnen Haushalt ist solcher Eigenverbrauch finanziell attraktiv: Bei einem Stromtarif mit einem Arbeitspreis von 30 Cent pro Kilowattstunde spart jede selbst erzeugte Kilowattstunde genau diesen Betrag. Der private Wert von Solarstrom beträgt also 30 Cent pro Kilowattstunde. Der volkswirtschaftlich wahre Wert des Stroms bemisst sich dagegen am Marktwert, also dem Wert des Solarstroms an der Börse. Dieser beträgt aktuell weniger als 5 Cent pro Kilowattstunde. Die Differenz von 25 Cent pro Kilowattstunde sind versteckte Subventionen.
Alles kommt irgendwo her. Dies verdeutlicht ein Vergleich mit der Einspeisevergütung. Erhält man beispielsweise eine Einspeisevergütung von 8 Cent pro Kilowattstunde, kommen davon 5 Cent aus den Markterlösen beim Verkauf des Solarstroms. Die restlichen 3 Cent sind eine Subvention. Diese kommt aus dem Bundeshaushalt, wird also durch Steuern finanziert. Genauso ist es beim Eigenverbrauch, nur dass die „Vergütung“ hier 30 Cent beträgt (in Form von einer geringeren Stromrechnung). Auch hier stammen 5 Cent aus dem Marktwert. Die fehlenden 25 Cent müssen irgendwo herkommen – sie werden bezahlt von den Nachbarn ohne eigene Photovoltaik-Anlage.

Grafik: Lion Hirth
Festpreis. Anders als bei der Einspeisevergütung und der Marktprämie tauchen diese Subventionen jedoch nicht im EEG-Konto auf, sondern in Form von Mindererlösen bei Versorgern, Netzbetreibern und im Bundeshaushalt. Sie sind deshalb versteckt und weniger transparent. Hinter diesen versteckten Subventionen wirken zwei Mechanismen: Einerseits haben die meisten Kunden Festpreistarife. Obwohl Eigenerzeugungshaushalte vor allem dann Strom vom Netz beziehen, wenn der Börsenpreis hoch ist (im Winter und am Morgen und Abend), zahlen sie den gleichen Preis wie ein durchschnittlicher Kunde. Diese Mehrkosten werden von den anderen Kunden quersubventioniert.
Gemeinschaftskosten. Die andere Ursache ist, dass für selbst erzeugten Strom keine Stromsteuer, Netzentgelte, Umlagen und Aufschläge fällig werden. Manchmal wird argumentiert, dass geringere Netzentgelte ja auch gerechtfertigt sind, weil das Netz weniger genutzt wird. Dies ist jedoch falsch, weil das Netz auf den Spitzenverbrauch an einem Winterabend ausgelegt wird und zu diesem Zeitpunkt ja auch von Verbrauchern mit Photovoltaik-Anlagen voll in Anspruch genommen wird. Eine Eigenerzeugungsanlage spart keine Netzkosten. Die Gemeinschaftskosten müssen deswegen von anderen Stromverbrauchern und Steuerzahlern übernommen werden. Durch Eigenverbrauch steigen automatisch die Netzentgelte, Umlagen, Aufschläge für alle anderen. Mit dem Erfolg des Eigenverbrauchs wird die finanzielle Belastung also auf immer weniger Schultern verteilt. Weil Photovoltaik-Anlagen vor allem auf den Einfamilienhäusern der Mittel- und Oberschicht installiert werden, ist dies zudem tendenziell soziökonomisch eine Umverteilung nach oben. Aus diesem Grund kann man Eigenverbrauch als Steuersparmodell (oder auch „Netzentgeltsparmodell“) bezeichnen.
Viel Geld. Es geht um eine erhebliche Summe. Nach einer Schätzung von Bruno Burger vom Fraunhofer ISE dürfte die solare Eigenerzeugung letztes Jahr mehr als 12 Terawattstunden betragen haben. Dies entspricht einer versteckten Subvention von rund 3 Milliarden Euro im Jahr. Grob gerechnet dürften der Strompreis aller deutschen Haushalte um 1 Cent pro Kilowattstunde geringer ausfallen, wenn es keinen Eigenverbrauch gäbe. Die industrielle Eigenerzeugung aus Gas- und Kohlekraftwerken kommt dabei noch obendrauf.
Vergleich. Die versteckten Subventionen für Eigenverbrauch sind pro Kilowattstunde viel höher als die direkte Förderung von neuen Photovoltaik-Anlagen. Während der Eigenverbrauch mit rund 30 Cent pro Kilowattstunde vergütet wird, haben im vergangenen Jahr errichtete EEG-Anlagen im Schnitt eine Vergütung von weniger als 8 Cent pro Kilowattstunde für die Einspeisung erhalten. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist Eigenverbrauch also das teuerste aller Fördersysteme.
Teure Lösungen. Es sind diese hohen versteckten Subventionen des Eigenverbrauchs, die dafür sorgen, dass sich auch teure Lösungen finanziell lohnen. Kleine Photovoltaik-Dachanlagen sind aufgrund der hohen Investitionskosten rund drei Mal so teuer wie Solarparks, und auch Heimspeicher sind viel teurer als Großbatterien – aber da jede für den Eigenverbrauch gespeicherte Kilowattstunde rund 30 Cent wert ist, kann sich das trotzdem lohnen.
Lösungen. Damit Eigenverbrauch nicht auf die Kosten von anderen geht, sollte Netzbezug und Eigenerzeugung einigermaßen gleichgestellt werden. Dies bedarf Lösungen in drei Bereichen:
- Steuern und Umlagen: Es wäre denkbar, Stromsteuer, Umlagen und Aufschläge auch auf selbst erzeugten Strom zu erheben. Eleganter wäre die Reduktion dieser Abgaben für alle Verbraucher. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung genau solche Entlastungen gerade diskutiert.
- Energie: Festpreis-Stromtarife werden durch Versorger auf Basis des Standardlastprofils festgelegt, das bisher Photovoltaik-Eigenverbrauch nicht berücksichtigt hatte. Das hat sich vor zwei Monaten geändert: Der BDEW hat neue Standardlastprofile vorgelegt, die zwischen Haushalten mit und ohne Photovoltaik-Anlage unterscheiden. Dies ermöglicht erstmals eine kostenreflektive Bepreisung der beiden Gruppen. Netzbetreiber und Vertriebe sollten diese konsequent anwenden.
- Netzentgelte: Hier werden verschiedene Ansätze diskutiert – darunter höhere Grundpreise, zusätzliche Zahlungen für Erzeuger und dynamische Netzentgelte.
Grundpreis. Schon seit langem wird in der Netzwirtschaft eine Erhöhung des Grundpreises bei gleichzeitiger Absenkung des Arbeitspreises diskutiert. Da auch Eigenverbrauchshaushalte den Grundpreis komplett zahlen, werden diese dadurch relativ stärker belastet. Bereits in den letzten Jahren haben viele Netzbetreiber die Grundpreise aus dieser Motivation heraus deutlich angehoben. Jedoch ist die Maßnahme verteilungspolitisch regressiv, weil sie auch Haushalte mit geringem Verbrauch ohne Photovoltaik-Anlagen stärker belastet – und diese Gruppe tendenziell kleine Einkommen haben (beispielsweise alleinstehende Rentner oder Alleinerziehende).
Sonder-Grundpreis. In ihrem Diskussionspapier zur Netzentgeltreform schlägt die Bundesnetzagentur deshalb vor, einen erhöhten Grundpreis von Verbrauchern mit Eigenerzeugungsanlagen zu erheben. Eine solche fokussierte Maßnahme würde eine Mehrbelastung von Geringverbrauchern vermeiden.
Dynamische Netzentgelte. In vielerlei Hinsicht die beste Lösung sind jedoch dynamische Netzentgelte. Hier variiert der Arbeitspreis anhand der Netzbelastung, ist also an kalten Winterabenden mit hoher Netzlast sehr hoch, in der Nacht bei geringer Netzlast niedrig, und an Sommer-Mittagen mit Einspeiseüberschuss gegebenenfalls sogar negativ. Das ist verursachergerecht: man zahlt dann mehr, wenn der eigene Strombezug zusätzliche Kosten im Netz verursacht, und weniger, wenn dies nicht der Fall ist. Das gilt auch für Eigenverbrauchshaushalte, die dann einen angemessenen Beitrag zahlen, weil sie schwerpunktmäßig zu Starklast-Zeiten Netzstrom beziehen. Andersherum sparen sie in solaren Mittagsspitzen kaum Netzentgelte, weil der Arbeitspreis dann ohnehin gering ist. Gleichzeitig bieten diese Entgelte auch einen Anreiz für den netzdienlichen Betrieb von Heimspeichern, Elektroautos und anderen haushaltsnahen Flexibilitätsoptionen. Deswegen ist es zu begrüßen, dass sich diese Woche eine Gruppe von Solar-Unternehmen um 1Komma5°, Enpal und Sonnen für solche dynamischen Netzentgelte ausgesprochen hat.
Fairer Preis. Es ist ein großer Erfolg, dass Millionen von Menschen mit eigener Solarerzeugung die Energiewende unterstützen möchten. Wer seinen eigenen Strom auf Dach oder Balkon erzeugen will, sollte keine Steine in den Weg gelegt bekommen. Jedoch sollte dies auch nicht auf die Kosten derjenigen gehen, die dazu nicht in der Lage sind. Dieses Dilemma lässt sich dadurch auflösen, dass Eigenerzeugung und Netzbezug fair bepreist werden. Dafür bedarf es einer Senkung von Stromsteuer und Abgaben, der Anwendung der neuen Standardlastprofile und dynamischer Netzentgelte für Haushalte mit Solaranlagen. Dafür sind nun Politik, Energiewirtschaft und Bundesnetzagentur gefragt.
— Der Autor Lion Hirth ist Professor für Energiepolitik an der Hertie School und Geschäftsführer der Beratungsfirma Neon Neue Energieökonomik. —
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