So läuft das Netzanschlussverfahren bei großen Photovoltaik-Projekten und Speichern – pv magazine Deutschland


Beträgt die Einspeiseleistung großer Speicher oder Solaranlagen mehr als 270 Kilowatt, müssen die Systeme das Netzanschlussverfahren durchlaufen, bevor sie ins Netz integriert werden dürfen. Welche Schritte dafür nötig sind, erklärt Marko Ibsch, Geschäftsführer von Carbonfreed.

Aktuell sind in Deutschland Groß- und Gewerbespeicher mit einer Gesamtleistung von 2,89 Gigawatt installiert – ein Plus von knapp 45 Prozent gegenüber Oktober 2024. Gewerbe- und Industriespeicher boomen und das hat mehrere Gründe: Zum einen installieren immer mehr Unternehmen ein solches System, um selbsterzeugten Solarstrom noch effizienter nutzen zu können. Zum anderen bilden sich durch die Möglichkeiten des neuen Energiemarkts zusätzliche Geschäftsmodelle heraus, die immer mehr Investoren anziehen.

Was auch immer die Gründe für die Installation eines Batteriespeichers sind, eins haben alle Projekte gemeinsam: Wenn die Einspeiseleistung des Gesamtsystems den Wert von 270 Kilowatt überschreitet, müssen die Anlagen das sogenannte Netzanschlussverfahren durchlaufen. Erst wenn das erfolgreich abgeschlossen ist, dürfen die Solaranlagen oder Speicher Strom ins öffentliche Stromnetz einspeisen.

Warum es das Netzanschlussverfahren gibt

Das Netzanschlussverfahren ist ein wichtiger Prozess für die Stabilität des Stromnetzes und damit für die Versorgungssicherheit in Deutschland. Durch das Verfahren soll nachgewiesen werden, dass große Photovoltaik-Anlagen und Speicher so geplant und in Betrieb genommen wurden, wie es der Netzbetreiber in seinem spezifischen Netzgebiet vorgibt.

Überprüft werden die Informationen der Photovoltaik-Anlage und des Großspeichers von in Deutschland akkreditierten Zertifizierungsstellen. Diese haben die Aufgabe, für die Netzbetreiber die Angaben auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Ist alles wie vom jeweiligen Netzbetreiber gewünscht, dürfen die Anlagen ans Netz. Wenn nicht, sind Nacharbeiten erforderlich, die mitunter viel Zeit in Anspruch nehmen.

Wie das Netzanschlussverfahren abläuft

Der gesamte Prozess des Netzanschlussverfahrens großer Solaranlagen und Batteriespeicher beginnt mit der Netzanschlusszusage des zuständigen Netzbetreibers. Ist diese vorhanden, startet das Verfahren mit dem Anlagenzertifikat. Der Anlagenbetreiber (oder je nach Projekt auch der Installateur oder Planer) hat die Aufgabe, die für die Erstellung des Anlagenzertifikats notwendigen Dokumente zusammenzustellen.

Sind für das Anlagenzertifikat alle Informationen beisammen, werden diese anschließend bei einer Zertifizierungsstelle eingereicht, die den Datensatz auf Vollständigkeit, Konsistenz, Konformität zur Norm VDE-AR-N 4110/20 und den spezifischen Anforderungen in den Technischen Anschlussbedingungen des Netzbetreibers prüfen. Wenn alles passt, stellt die Zertifizierungsstelle das Anlagenzertifikat aus, wonach die Planungsphase beendet ist und die Anlage die vorläufige Betriebserlaubnis erhält

Danach muss der Anlagenbetreiber nachweisen, dass die Anlage tatsächlich nach den Vorgaben des Anlagenzertifikats gebaut und in Betrieb genommen wurde. Teil der Inbetriebsetzungserklärung sind beispielsweise verschiedene Regelungstests und Schutzprüfungen. Die Ingenieure in den Zertifizierungsstellen prüfen die Angaben und vergleichen diese mit den Angaben im Anlagenzertifikat.

Wenn die Angaben übereinstimmen und es keine Ungereimtheiten gibt, folgt schlussendlich die Ausstellung der Konformitätserklärung zur endgültigen Betriebserlaubnis. Diese muss dann in sechs bis zwölf Monaten an den Netzbetreiber übermittelt werden, der die endgültige Betriebserlaubnis ausstellt. Das Verfahren ist damit offiziell abgeschlossen.

Ab welcher Einspeiseleistung welches Anlagenzertifikat benötigt wird

Alle Erzeugungsanlagen, die eine maximale installierte Gesamtleistung von mehr als 500 Kilowatt AC Wechselrichter-Ausgangsleistung oder mehr als 270 Kilowatt Einspeiseleistung haben, benötigen ein Anlagenzertifikat nach VDE-AR-N 4110 (Mittelspannung). Sollte die Gesamtleistung bei maximal 950 Kilowatt liegen, genügt ein vereinfachtes. Ist die Leistung sogar höher als 950 Kilowatt, benötigen die Anlagenbetreiber ein Anlagenzertifikat Typ A.

Das gilt auch für Batteriespeicher, denn grundsätzlich wird beim Netzanschlussverfahren nicht unterschieden, ob es sich um eine Photovoltaik-Anlage oder um einen Speicher handelt. Wenn der Speicher allerdings für die Hochspannung vorgesehen, dann zählt die Norm VDE-AR-N 4120 und das Anlagenzertifikat Typ A.

Sollte die Gesamtleistung der Anlage oder des Speichers niedriger als 500 Kilowatt Wechselrichter-Leistung und weniger als 270 Kilowatt Einspeisung sein, reicht übrigens ein vereinfachtes Verfahren nach VDE-AR-N 4105.

Netzanschlussverfahren – die wichtigsten Dokumente:

E.8-Bogen: Formular zur Anmeldung und Inbetriebsetzung der Erzeugungsanlage beim Netzbetreiber, mit den wesentlichen technischen Daten und Bestätigungen. Die genaue Ausprägung variiert je nach Netzbetreiber. Muss vom Installateur, Planer oder Projektierer ausgefüllt werden.

E.9-Bogen: Ergänzendes Prüf- und Abnahmeprotokoll, in dem Einstellungen, Messungen und Funktionsprüfungen (zum Beispiel Wirkleistungsbegrenzung, NA-Schutz) dokumentiert werden. Dient dem Netzbetreiber als Nachweis, dass die Anlage normkonform arbeitet.

Single-Line-Diagramm (einpoliger Übersichtsschaltplan): Schematische Darstellung der Anlage mit allen Hauptkomponenten und deren Verschaltung (Zähler, Schutz, Schalter, Erzeuger, Speicher) in einer Linie. Hilft, Aufbau und Netzeinbindung schnell zu verstehen.

Regelungs- und Schutzkonzept: Beschreibung, wie die Anlage geregelt wird (zum Beispiel Wirkleistung, Blindleistung, Einspeisemanagement) und welche Schutzfunktionen bzw. Schwellen zum automatischen Abschalten vorgesehen sind. Bezieht sich auf relevante Normen (beispielsweise VDE-AR-N) und das Netzanschluss-/Betriebskonzept.

Wenn zeitgleich Photovoltaik-Anlage und Speicher installiert werden, müssen Leistung der Solaranlage und Einspeiseleistung des Speichers addiert werden. Die Summe der beiden Werte entscheidet darüber, welches Anlagenzertifikat benötigt wird. Eine Ausnahme besteht nur, wenn der Speicher ausschließlich für die Eigenverbrauchsoptimierung vorgesehen ist. Sobald der Speicher mehr als 270 Kilowatt ins Netz einspeist, ist immer ein Anlagenzertifikat nötig. Ob der Strom zuvor aus der Photovoltaik-Anlage oder aus dem Netz geladen wurde, ist unerheblich.

Die Summe aus Leistung der Photovoltaik-Anlage und Speicher ist auch entscheidend, wenn ein Speicher nachgerüstet wird. Es kann also durchaus passieren, dass bei der Erstinstallation der Solaranlage kein Anlagenzertifikat nach VDE-AR-N 4110 notwendig war. Durch die Nachrüstung des Speichers überschreitet die Einspeiseleistung jetzt aber den Grenzwert von 270 Kilowatt, wodurch jetzt doch ein Anlagenzertifikat für die Gesamtanlage benötigt wird.Â

Wie digitale Systeme das Netzanschlussverfahren beschleunigen

Das Netzanschlussverfahren hat definitiv seine Berechtigung. Allerdings wird aus der Branche immer wieder Kritik am Prozess laut. Das Verfahren läuft für die beteiligten Unternehmen häufig zu langsam und ineffizient ab. Die Folge ist, dass die Erzeugungsanlagen nur mit deutlicher Verzögerung ins Netz integriert werden, was die Anlagenbetreiber eine Stange Geld kosten kann.

Das Problem ist vor allen Dingen, dass die Informationen für die Ausstellung des Anlagenzertifikats oder die Inbetriebsetzungserklärung in der Regel noch manuell gesammelt und von den Zertifizierungsstellen bewertet werden. Auch das Spezialwissen zur Zertifizierung ist häufig nur in den Zertifizierungsstellen gebündelt. Kommt es dann im Verfahren zu einer Rückfrage, verzögert das den gesamten Ablauf.

Abhilfe schaffen digitale Systeme, die sich beispielsweise die Vorteile von Künstlicher Intelligenz zunutze machen. Denn eine KI ist beispielsweise sehr gut darin, vorbereitende Tätigkeiten auszuführen, Informationen zu prüfen und diese in einem Datensatz zusammenzufügen.

Und ein digitales System kann das spezifische Zertifizierungswissen bündeln, und diese kritischen Informationen rechtzeitig bereitstellen – und zwar direkt dann, wenn die Dokumente zur Zertifizierung vorbereitet werden. Das spart allen Beteiligten Zeit und die Ingenieure in den Zertifizierungsstellen können sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren: die Ausstellung der Zertifikate.

— Der Autor Marko Ibsch ist Gründer und Geschäftsführer von Carbonfreed. Das Unternehmen verkürzt mit der KI-gestützten Digital-Plattform „gridcert“ das Netzanschlussverfahren großer Photovoltaik-Anlagen und Batteriespeicher. Seit der Gründung hat das Carbonfreed-Team über 2000 Photovoltaik- und Speicherprojekte erfolgreich begleitet. —

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