Deutschland war einst das Labor der Photovoltaik-Welt. Hier entstanden die Zellarchitekturen und Verfahren, die heute in Solarparks von Gujarat bis Kalifornien Sonnenlicht in Energie verwandeln.
Doch während die industrielle Anwendung andernorts längst Routine ist, verharren viele Bestandsanlagen in Deutschland im Status quo – obwohl sich ihr Ertrag mit überschaubarem Aufwand deutlich steigern ließe.
Neue, nicht-invasive Verfahren zeigen, dass technischer Fortschritt nicht immer Neubau bedeutet, sondern im Detail des Bestehenden beginnt.
Als Gutachter für Nanotechnologie und Oberflächenbeschichtungen beobachte ich seit Jahren, wie solche Technologien die Leistungsfähigkeit bestehender Photovoltaik-Systeme steigern – ohne Eingriff in Elektrik, Statik oder Sicherheit.
Das Potenzial des Bestands
Deutschland verfügt über eine installierte Photovoltaik-Leistung von mehr als 100 Gigawatt – ein erheblicher Anteil stammt aus den Jahren 2005 bis 2015. Diese Anlagen sind technisch intakt, aber im Vergleich zu heutigen Modulgenerationen deutlich weniger effizient. Gerade Betreiber, die ihre Systeme nach Ablauf der EEG-Vergütung weiterbetreiben, verzichten oft auf Modernisierungen – obwohl sich durch gezielte Nachrüstungen die Wirtschaftlichkeit erheblich verbessern ließe.
Nicht-invasive Technologien, die auf der Moduloberfläche ansetzen, eröffnen hier neue Möglichkeiten: Sie lassen sich schnell implementieren, erfordern keine Genehmigungen und keine Eingriffe in die Struktur der Anlage – ein sofort wirksamer Hebel für mehr Effizienz und Nachhaltigkeit.
Technologische Grundlagen – die 50-Nanometer-Schicht
Solarmodule arbeiten umso effizienter, je mehr Licht in elektrische Energie umgewandelt wird. In der Praxis mindern Reflexionen, Verschmutzungen und thermische Belastungen diesen Wirkungsgrad. Genau hier setzt die moderne Oberflächentechnologie an: Eine nur etwa 50 Nanometer dünne Funktionsschicht verändert die Oberflächenenergie des Glases und optimiert das Lichtmanagement. Diese Schicht reduziert Reflexionen, verbessert die Einkopplung diffusen Lichts und sorgt dafür, dass Wasser sich gleichmäßig verteilt. Dadurch werden Staub und Schmutz bei Regen leichter abgetragen. Zudem sinkt die Modultemperatur im Betrieb um bis zu zwei Grad Celsius, was die Alterung der Zellen verlangsamt und die Leistungsstabilität erhöht.
Leistungsplus bei diffusem Licht
In Feldmessungen zeigte sich der Mehrertrag der funktionalisierten Photovoltaik-Module besonders deutlich bei diffuser Einstrahlung. Über den Tagesverlauf ergibt sich eine charakteristische U-Form: am Vormittag und am späten Nachmittag, ebenso unter dünner Bewölkung, liegen die spezifischen Erträge sichtbar über den unbehandelten Referenzen, während sich der Vorteil zur Mittagszeit annähert. Dieses Muster belegt, dass die Technologie nicht nur bei Volllastspitzen, sondern gerade in lichtschwächeren Phasen ihre Stärke ausspielt – ein entscheidender Vorteil für Standorte mit wechselhaften Wetterbedingungen und diffusem Lichtanteil.
Die mir vorliegenden Daten aus internationalen Feldanwendungen belegen Mehrerträge funktionalisierter Module im Bereich von rund 2 bis über 30 Prozent, abhängig von Standort, Lichtverhältnissen und Umgebungseinflüssen. Der Basiseffekt resultiert aus einer erhöhten Lichttransmission der aufgebrachten Beschichtung auf der Glasoberfläche des Moduls, die eine bessere Ausnutzung diffusen Lichts ermöglicht. Messungen zeigen, dass sich daraus – unter sauberen Referenzbedingungen – ein Mehrertrag von rund 2 bis 5 Prozent ergibt, der unmittelbar auf die verbesserte Transmission dieser funktionalen Beschichtung zurückzuführen ist.
Hinzu kommen sekundäre Effekte durch die antiadhäsiven (schmutzabweisenden) Eigenschaften der Oberfläche sowie eine Temperaturstabilisierung der Module, die insbesondere in heißen Klimazonen messbar zur Leistungsstabilität beiträgt. In Summe entsteht so eine Kombination aus optischer Effizienzsteigerung und passivem Erhalt der Oberflächenreinheit, die sich über unterschiedliche Klimazonen hinweg als robust und reproduzierbar erwiesen hat.
Flüssigglas-Technologie als Grundlage
Chemisch handelt es sich um ein anorganisch-hybrides Siliziumdioxid-Netzwerk, das sich dauerhaft mit dem Glas vernetzt, UV-stabil und mechanisch unbedeutend ist – zu dünn, um Struktur oder Statik zu beeinflussen.
Die zugrundeliegende Nanotechnologie basiert auf der sogenannten Flüssigglas-Technologie: einem anorganischen, siliziumdioxidbasierten Beschichtungssystem, das eine glasähnliche Struktur auf der Oberfläche bildet. Diese Schicht verändert nicht das Glas selbst, sondern dessen Oberflächenenergie.
Internationale Praxis – Anwendungen in China und Indien
Während in Europa noch über die regulatorische Einordnung solcher Nachrüstungen diskutiert wird, werden sie in Asien bereits im industriellen Maßstab eingesetzt.
In China wurden die Verfahren in großflächigen Solarparks mehrerer major energy providers eingesetzt.
Dort gelten die Nachrüstungen mit Flüssigglas-Beschichtungen inzwischen als Teil regulärer Wartungszyklen: Bestehende Module werden im Zuge planmäßiger Inspektionen behandelt, um Reflexionen zu reduzieren, Temperaturen zu stabilisieren und Reinigungszyklen zu verlängern.
Ertragssteigerungen zwischen 5 und 20 Prozent sind dokumentiert – abhängig von Standort, Lichtverhältnissen und Staubbelastung.
In Indien liegen die gemessenen Mehrerträge zwischen 2 und 15 Prozent.
Die niedrigsten Ergebnisse stammen aus einer Anlage direkt neben einem Zementwerk, wo sich in den Wintermonaten ein fester Zementstaubfilm auf den Modulen anbackte. In den übrigen neun Monaten des Jahres erreichten die beschichteten Module jedoch konstant Mehrerträge zwischen 10 und 20 Prozent, in den Sommermonaten zeitweise sogar über 30 Prozent.
Eine konservative Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zeigt den Hebel für den Einsatz der Technologie auch hierzulande. Die Basis ist eine installierte Photovoltaik-Leistung von 50 Megawatt in einer Anlage und ein spezifischer Jahresertrag von 1050 Kilowattstunden pro installiertem Kilowattpeak.
Bei Beschichtungskosten von etwa 0,5 bis 0,6 Cent pro Watt (≈ 250.000 bis 300.000 für 50 Megawatt) ergibt sich bei DACH-Bedingungen ein Mehrertrag von 2 bis 10 Prozent, entsprechend 1,05 bis 5,25 Gigawattstunden zusätzlicher Jahresproduktion.
Bei Stromgestehungskosten von 6 bis 12 Cent pro Kilowattstunde bedeutet das Mehrerlöse zwischen 63.000 € und 630.000 € pro Jahr – mit Amortisationszeiten von unter einem Jahr bis maximal fünf Jahren.
Reinigung, Wartung und Nachhaltigkeit
Neben den optischen Effekten zeigen sich auch deutliche Vorteile in der Reinigung. Die optimierte Glasoberfläche reduziert das Anhaften von Staub und Schmutzpartikeln deutlich. In wüstenähnlichen Regionen kann der Wind lose Partikel sogar selbst abtragen – oft ganz ohne mechanische Reinigung. In Industrieumgebungen, wo Feinstaub, Ruß oder anfallen, andere partikuläre oder mineralische Ablagerungen entstehen – etwa in der Nähe von Produktionsstätten, Verkehrsknotenpunkten oder Baustellen – berichten Betreiber von stark verlängerten Reinigungsintervallen: Statt wöchentlicher chemischer Reinigung genügt oft ein Quartalsintervall .
In Deutschland hingegen liegen die Intervalle je nach Standort deutlich weiter auseinander – typischerweise zwischen 12 und 24 Monaten, in besonders exponierten Lagen wie Industrie-, Küsten- oder Agrarstandorte, zwischen drei und sechs Monaten. Beschichtete Oberflächen verlängern diese Intervalle zusätzlich, da sich Staub, Pollen und Rückstände deutlich schlechter anlagern und leichter abgetragen werden.
Ein weiterer Vorteil: organische Rückstände wie Vogelkot verbinden sich auf der modifizierten Oberfläche nicht dauerhaft mit dem Glas, sondern bilden einen dünnen Film, der bei Regen oder Tau abläuft. Dadurch entstehen weder eingebrannte Flecken noch Hotspots – die Module bleiben funktional und optisch stabil.
Neue Reinigungstechnologien – von Druckluft bis Robotik
Parallel zur Beschichtungstechnologie entstehen neue, automatisierte Reinigungskonzepte, die besonders in wasserarmen Regionen relevant sind. Dazu zählen AIR-Systeme, die mit Impulsdruck Staub lösen, sowie automatisierte Bewässerungsanlagen, die wie Gartenberegnungssysteme in Intervallen Schmutz abspülen – mit minimalem Wasserverbrauch. Ein weiterer Ansatz ist die robotische Reinigung mittels fein gesteuerter Bürstensysteme. Diese Systeme arbeiten präzise, gleichmäßig und materialschonend; sie passen Druck und Bewegung automatisch an und entfernen selbst verkrustete Ablagerungen, ohne die Beschichtung oder das Glas zu beschädigen.
In Kombination mit der optimierten Oberflächeneigenschaft genügt meist geringe mechanische Bewegung, um volle Transparenz wiederherzustellen – meist ohne Reinigungsmittel oder zusätzlichen Wasserverbrauch. In China werden solche Prozesse bereits weiterentwickelt: Einerseits wird die Flüssigglas-Technologie bei neuen Modulen direkt in der Produktion aufgetragen, andererseits entstehen robotische Beschichtungssysteme für Bestandsanlagen. Diese tragen nach der Reinigung mittels spezieller Pads automatisch eine neue Funktionsschicht auf – Reinigung und Beschichtung in einem Schritt. Das Ziel ist klar: höhere Erträge, weniger Wartung, längere Lebensdauer.
Regulatorische Realität – fehlende Definitionen, aber Fortschritt in Sicht
Das dichte Netz aus Normen und Richtlinien sorgt in Deutschland für Sicherheit – kann Innovationen aber auch bremsen, wenn neue Technologien in keine bestehende Kategorie passen. Lange war unklar, ob nicht-invasive Beschichtungen als Wartungsmaßnahme, technische Änderung oder eigenständige Technologie zu bewerten sind.
Inzwischen gibt es Fortschritte: Konformitätsprüfungen nach IEC 61215 und IEC 61730 bestätigen, dass die Schichten keine Auswirkungen auf elektrische oder mechanische Sicherheit haben. Versicherer und Betreiber beginnen, die Technologie in ihre Bewertungsverfahren zu integrieren.
Was noch fehlt, ist eine eindeutige regulatorische Einstufung – beispielsweise als zulässige Effizienzmaßnahme, vergleichbar mit Reinigung oder Wartung.
Fazit – Retrofit als Hebel der Energiewende
Die Energiewende wird oft als Zubauprojekt verstanden: mehr Module, mehr Fläche, mehr Leistung. Doch das eigentliche Potenzial liegt längst im Bestand. Jedes Prozent zusätzlicher Leistung aus bestehenden Anlagen senkt Kosten, spart Ressourcen und beschleunigt den Ausbau erneuerbarer Energien.
Retrofit-Technologien wie ultradünne Funktionsbeschichtungen oder robotische Reinigungssysteme zeigen, dass sich Effizienz, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit vereinen lassen. Deutschland verfügt über das Know-how und die wissenschaftliche Basis – es fehlt nur der Schritt von der Entwicklung in die Anwendung. Andere Märkte beweisen bereits, dass Effizienz nicht allein eine Frage der Technologie ist, sondern des Handelns. Die Technologie ist vorhanden. Ihre Wirkung belegt. Die Frage ist nicht mehr, ob wir sie einsetzen können – sondern wann wir endlich beginnen.
— Der Autor Dieter Schwindt ist zertifizierter Gutachter für Nanotechnologie und Oberflächenbeschichtungen. —
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