Umkreist die Sonne die Erde doch? – pv magazine Deutschland


Die Bundesregierung aus Union und SPD will jetzt die Novellierung des CCS-Gesetzes realisieren. Die bislang noch gültige Regelung erlaubt lediglich die „Erprobung und Demonstration“ der CO2-Speicherung. Bei der Erprobung handelt es sich um die Verpressung von „insgesamt weniger als 100.000 Tonnen“, bei der Demonstration um jährliche Verpressung von 1,3 Millionen Tonnen. Bis Ende 2018 sollte nach der bisher gültigen Rechtslage die Bundesregierung die Phase der Erprobung und Demonstration evaluieren und bei entsprechendem Resultat die „Errichtung von Kohlendioxidspeichern“ – nun also im Großmaßstab – dem Bundestag vorschlagen.

Diese gesamte Vorbereitungsphase soll durch die Novellierung wegfallen. Auf dem Papier wird aber alles zurechtgezaubert. Dem Forschungsprojekt im brandenburgischen Ketzin wird – quasi „hybridmäßig“ – auch die Demonstrationseigenschaft zugesprochen. In den „Eckpunkten“ zur Carbon Management-Strategie ist zu lesen: „Das Forschungsprojekt in Ketzin … hat allerdings im Demonstrationsmaßstab gezeigt, dass die Speicherung an Land … sicher und verlässlich … umgesetzt werden kann“. In Ketzin wurden einmalig 67.000 Tonnen verpresst. In der auf wenige Jahre begrenzten und inzwischen abgelaufenen Beobachtungszeit wurden keine Leckagen festgestellt“ Und damit soll demonstriert sein, dass es bei jährlicher Verpressung von 1,3 Millionen Tonnen auch so ist?

Doch diese Art von „Argumentation“ begegnet im Kontext von CCS auf Schritt und Tritt. Sie ist das Daseinsmedium der gesamten CCS-Idee. So wie wir Sauerstoff zum Überleben brauchen, benötigt CCS „Argumente“, die in Wirklichkeit unzutreffende Behauptungen sind.

So wurde etwa regierungsseitig behauptet, dass CO2 in den unterirdischen „Speichern“ für „geologische Zeiträume“ sicher eingeschlossen sei. Geologe Ralf Krupp macht hingegen darauf aufmerksam, dass die sogenannten Speicher keineswegs dicht sind und auch gar nicht dicht sein dürfen, da andernfalls das CO2 nicht injiziert werden könnte. Weiter erinnert er daran, dass in den Gesteinsporen kein Vakuum vorliegt. Vielmehr sind sie mit Fluiden gefüllt, die beim Einpressen des CO2 verdrängt werden. Dabei gelangt Methan ins Seewasser und letztlich in die Luft. Da Methan die rund 80-fache Treibhauswirkung von CO2 besitzt, wird allein durch diesen Verdrängungseffekt der behauptete Klimanutzen der CO2-Verpressung ins Gegenteil verkehrt – unabhängig davon, dass das CO2 ohnehin nicht für lange Zeit im Untergrund verbleiben kann (siehe Studie „Geologische Risiken der CO2-Verpressung in der Nordsee“ u.a. Seite 6f).

Unsägliches Kopfschütteln löst auch die Tatsache aus, dass die Verpressung von CO2 zwecks Effektivierung der Öl- oder Gasförderung (EOR / EGR) als CCS und somit als Klimaschutz bezeichnet wird. Durch die Steigerung der Öl- oder Gasförderung wird erheblich mehr CO2 emittiert, als wenn das vom fossilen Kraftwerk gelieferte CO2 unbehandelt in die Luft gelassen würde. Dieser Sachverhalt betrifft nicht etwa ein paar Einzelfälle, sondern laut Evaluierungsbericht der Bundesregierung 70 Prozent aller „CCS“ genannten Anlagen, nach anderen Quellen 80 Prozent.

Zahlreiche weitere unzutreffende Behauptungen von CCS-Akteuren hat Reinhard Knof in seinem Beitrag zur CCS-Konsultation der EU zusammengestellt.

Mark Jacobson, Professor an der Stanford University in Kalifornien und weltweit renommierter Forscher im Bereich 100 Prozent erneuerbare Energien kommt bei seinen Untersuchungen zum Thema CCS zu folgendem Fazit:  »DAC ist Betrug, CO₂-Abscheidung ist Betrug, blauer Wasserstoff ist Betrug, E-Fuels sind Betrug.«

Die impertinenteste Falschbehauptung, die von Regierung und allen möglichen Institutionen bis hin zur Industrie verbreitet wird, ist, dass die Vermeidung von Emissionen und insbesondere der Umstieg auf erneuerbare Energien „prioritär“ seien. Es ist ein reines Lippenbekenntnis! In der Praxis besteht die „Priorisierung der Erneuerbaren“ darin, dass Erdgaskraftwerke im großen Stil geplant werden, und was die industriellen Emissionen betrifft, so existiert eine genaue und restriktive Definition von „unvermeidbar“ als Zulassungsvoraussetzung für Anschluss an ein CCS-System nicht.

Sollte es auch nur einigermaßen rational zugehen, müsste eine Gesellschaft, beziehungsweise der sie repräsentierende Staat, als allererstes doch Folgendes ermitteln: Was ist die wirksamste Methode zur Begrenzung des Klimawandels? Die Antwort wäre zweifelsfrei: Schnellstmöglicher und hundertprozentiger Umstieg auf erneuerbare Energien.

Doch die Frage wird nicht gestellt und die zugehörige Antwort erst recht nicht gegeben. Wird so denn nicht handgreiflich, dass das gesamte Thema CCS & Co mit Klimaschutz null zu tun hat? Dass es vielmehr darum geht, die Bevölkerung derart zu verwirren, dass sie nicht nur die Verbrennung fossiler Stoffe weiterhin akzeptiert, sondern auch noch ein CCS-System, das Klima und Umwelt schwer belastet, den Energiekonzernen aber eine zusätzliche Profitquelle beschert?

Einst wurde verordnet, dass die Sonne um die Erde kreist, heute, dass CCS eine Klimaschutzmaßnahme ist.

Nicht Wenige durchschauen das Manöver, aber ebenfalls nicht Wenige bekennen sich zu der Behauptung, ja, verbeugen sich vor ihr wie vor einem religiösen Dogma.  Dass auch die Verbände der erneuerbaren Energien in den Chor mit einstimmen, irritiert erheblich.

Die Bundesregierung tritt jetzt aufs Gaspedal im mehrfachen Sinn. Per „Eilverfahren“ soll das Gesetz über die Bühne gehen, wie bei den LNG-Anlegestellen der Vorgängerregierung. Dass es für Gesetze zur Erleichterung des Erneuerbaren-Ausbaues auch mal ein Eilverfahren gab, ist mir nicht in Erinnerung.

Ein wenig Licht am Horizont kommt vom Bundesrat. Neben einigen anderen Einwänden spricht er sich gegen den Anschluss von Gaskraftwerken an ein CCS-System aus. Dass CCS für den Klimaschutz unverzichtbar sei, wird aber intensiv bestätigt, wie in der Rede von Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) besonders deutlich wird.

Wie geht es nun weiter: Am heutigen 13. Oktober gibt es eine Anhörung von Sachverständigen.

Am 15. Oktober kommt CCS im Umweltausschuss zur Sprache. Zuvor wird das „Bündnis CCS stoppen“ dem Vorsitzenden, Gösta Beutin (Die Linke), den Offenen Brief „Gemeinsam gegen den fossilen Irrweg. CCS-Gesetz stoppen. Echte Klimaschutzlösungen jetzt.“  überreichen.

Möge das letzte Wort zur Novellierung des CCS-Gesetzes doch noch nicht gesprochen sein!

— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —

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