Entso-E bestätigt Überspannung als Hauptursache des Blackouts – pv magazine Deutschland


Die von Entso-E eingesetzte Expertengruppe zur Untersuchung des Stromausfalls vom 28. April 2025 auf dem spanischen Festland und in Portugal hat einen technischen Bericht mit den bisherigen Fakten veröffentlicht. Dieser stimmt weitgehend mit dem vor wenigen Tagen vom Ministerium für den ökologischen Wandel (Miteco) veröffentlichten Bericht überein. Der Zwischenbericht des Verbands Europäischer Übertragungsnetzbetreiber umfasst 264 Seiten.

von pv magazine Spanien

Die vom Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber Entso-E eingesetzte Expertengruppe zur Untersuchung des Stromausfalls vom 28. April 2025 auf der spanischen Halbinsel und in Portugal hat vergangene Woche ihren umfassenden Bericht mit den Fakten veröffentlicht: 264 Seiten, die im Wesentlichen mit dem offiziellen Bericht der spanischen Regierung vom Juni übereinstimmen.

Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Ereignisse und Systembedingungen, die zum Ausfall führten, sowie der Ablauf der Störung und der Wiederherstellungsprozess. Die Arbeitsgruppe umfasst 45 Fachleuten aus europäischen Übertragungsnetzbetreibern und Regulierungsbehörden. Die Analyse umfasst umfangreiche Daten, die von Stromerzeugern, Großverbrauchern und Betreibern von Übertragungs- und Verteilnetzen bereitgestellt wurden.

Der nun vorgelegte Bericht ist ein Zwischenbericht, der die bisher bekannten Fakten darstellt. Ein Abschlussbericht wird Anfang 2026 erwartet. Darin sollen die sogenannten „Root Causes“ – also die grundlegenden Ursachen – detailliert analysiert werden, sobald alle erforderlichen Informationen vorliegen. Unter anderem sollen dort auch die Spannungssteuerung am Tag des Ereignisses sowie die Ursache einer „lokalen Oszillation“ um 12:03 Uhr untersucht werden, die in einer großen Photovoltaik-Anlage von Iberdrola auftrat. Der Abschlussbericht soll zudem konkrete Empfehlungen enthalten, um ähnliche Vorfälle im europäischen Stromnetz künftig zu verhindern.

Erhebung der Daten

Die Entso-E-Gruppe forderte die Betreiber von Verteilnetzen auf, unter anderem folgende Informationen bereitzustellen:

– sämtliche Abschaltungen von Anlagen im Zeitraum vor dem Blackout,
– Zusammensetzung der Einspeisung (Erzeugungsmix) im Netz,
– mögliche Überschreitungen von Spannungsgrenzen,
– Daten zu Lastabwürfen,
– sowie Angaben der Kraftwerksbetreiber zu allen am 28. April aktiven Anlagen, zur Spannungsregelung, zu Abschaltungen und zu Störungen im Zusammenhang mit Oszillationen.

In Portugal und Frankreich konnten die Übertragungsnetzbetreiber die benötigten Informationen vollständig und fristgerecht liefern.  In Spanien war die Datenerhebung jedoch schwieriger: Insgesamt stellten 33 Unternehmen ihre Daten zur Verfügung, während acht weitere keine Zustimmung zur Weitergabe erteilten.

Ablauf des Ereignisses

Der Stromausfall ereignete sich am 28. April um 12:33 Uhr.  In der halben Stunde zuvor kam es bereits zweimal zu Oszillationen im Netz. Um diese Schwingungen abzuschwächen, beschlossen die Betreiber, den Stromexport von Spanien nach Frankreich zu reduzieren, interne Leitungen im Süden stärker zu koppeln und den Betriebsmodus der Verbindung zwischen Spanien und Frankreich zu ändern. Diese Maßnahmen minderten zwar die Oszillationen, führten jedoch gleichzeitig zu einem Anstieg der Spannung im gesamten iberischen Netz.

– Zwischen 12:32:00 und 12:32:57 wurden mehrere wichtige Erzeugungseinheiten abgeschaltet: Insgesamt gingen 208 Megawatt aus erneuerbaren Quellen verloren, und die Last im Verteilnetz stieg um etwa 317 Megawatt. Die Ursachen für diesen Anstieg sind noch unklar – möglich sind Abschaltungen kleiner Anlagen unter 1 M Megawatt oder reale Lastzunahmen.
– Zwischen 12:32:57 und 12:33:18 folgten weitere großflächige Abschaltungen in Granada, Badajoz, Sevilla, Segovia, Huelva und Cáceres. Insgesamt sank die Erzeugung um mindestens 2 Gigawatt, möglicherweise sogar um 2,2 Gigawatt.
– Auslöser war ein Transformator in der Provinz Granada, der bei einer Spannung von 417,9 Kilovolt (Nominalwert 400 Kilovolt) eine Überspannungsschutzfunktion aktivierte. Er war an eine 400/220-Kilovolt-Leitung angeschlossen und speiste 355 Megawatt ins Netz ein.
– In Badajoz wurden anschließend mehrere Solarthermie- und Photovoltaik-Anlagen mit zusammen rund 725 Megawatt abgeschaltet. In einem Fall löste die Schutztechnik einer Leitung bei 435,4 Kilovolt aus – dieser hohe Wert könnte durch vorherige Schaltungen beeinflusst worden sein.
– In den folgenden Millisekunden (12:33:17–12:33:18) kam es zu weiteren Abschaltungen in verschiedenen Regionen, die rund 930 Megawatt – möglicherweise über 1100 Megawatt – betrafen. Einige Schutzvorrichtungen lösten wegen Überspannung aus; in vielen Fällen sind die Ursachen noch unbekannt.

Im Bericht benannte Hauptursachen

  1. Überspannung als zentrales Problem
    Nach den ersten Abschaltungen im Süden Spaniens stieg die Spannung in mehreren Netzgebieten über zulässige Werte. Diese Überspannung löste eine Kaskade weiterer Abschaltungen aus, weil weder Anlagen noch Schutzsysteme die Spannung ausreichend begrenzen konnten.
  2. Serienabschaltungen von Erzeugungsanlagen
    In kurzer Zeit wurden mehrere Anlagen in Andalusien, Extremadura und Kastilien-León vom Netz getrennt – insgesamt mehr als 2 Gigawatt Leistung. Dies setzte eine Kettenreaktion in Gang, die das System instabil machte.
  3. Unzureichende Systemstabilisierung
    Automatische Schutzmaßnahmen wie Lastabwürfe griffen zwar, konnten den Zusammenbruch aber nicht verhindern. Die Spannungsregelung reagierte zu langsam oder unzureichend.
  4. Neuartiges Szenario eines „Überspannungs-Blackouts“
    Entso-E bezeichnet den Vorfall als Beispiel eines bislang in Europa nicht dokumentierten Phänomens: Ein Systemausfall infolge einer Kaskade von Überspannungen.
  5. Strukturelle Schwächen des Systems
    – geringe elektrische Kopplung der iberischen Halbinsel mit dem übrigen europäischen Netz,
    – Einschränkungen bei der Spannungsregelung (vor allem durch konventionelle Kraftwerke),
    – anhaltende Oszillationen zwischen Spanien und dem kontinentalen Netz, deren Ursachen noch untersucht werden.

Bedeutung und nächste Schritte

Der Vorfall wurde gemäß europäischer Klassifizierung als „Störung der Stufe 3“ eingestuft – die höchste Kategorie. Entso-E zufolge ist dies der erste bekannte Fall, bei dem eine Kaskade von Überspannungen und Erzeugungsabschaltungen zu einem großflächigen Blackout in einem synchronisierten europäischen Gebiet führte.

Der Abschlussbericht, der im ersten Quartal 2026 erscheinen soll, wird Folgendes untersuchen:

– die grundlegenden und beitragenden Ursachen,
– die Spannungssteuerung am 28. April,
– die Rolle der einzelnen Akteure (Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, Erzeuger),
– das Verhalten von Anlagen unterschiedlicher Größenordnung,
– Wirksamkeit der Schutzsysteme und Wiederherstellungsprozesse,
– Alarmmanagement in den Kontrollzentren,
– Spannungsverläufe an den Tagen vor dem Blackout,
– die Rolle der Hochspannungs-Gleichstromverbindungen,
– und die Einhaltung europäischer Normen und Betriebsvorgaben.

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