Nicht den Erneuerbaren-Ausbau drosseln, sondern die Stromnachfrage ankurbeln – pv magazine Deutschland


In einer Analyse zum Stand der Energiewende mahnt die Denkfabrik, Deutschland gerate bei der Elektrifizierung ins Hintertreffen. Nicht nur deshalb müsse der Ausbau von Photovoltaik und Windkraft weiter vorangehen, sondern auch wegen der dämpfenden Wirkung auf die Strompreise.

Mit Agora Energiewende hat ein weiterer Akteur im Vorfeld des von der Bundesregierung angekündigten Energiewende-Monitoring seine Einschätzung zum Stand der Dinge und zur bestmöglichen Weiterentwicklung vorgelegt. „Effiziente Energiewende“ lautet der Titel einer rund 40 Seiten umfassenden Analyse.

Mit einer Senkung der Emissionen um fast 50 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sei „die Hälfte des Weges zur Klimaneutralität geschafft“, heißt es dort einleitend – nicht ohne Verweis darauf, dass Deutschland immer noch auf Platz 12 der Weltrangliste und mit Abstand auf dem ersten Platz in Europa steht und dass die jährlichen Pro-Kopf-Emissionen mit 8,26 Tonnen 25 Prozent über dem globalen Durchschnitt liegen. Für den weiteren Weg komme es nun darauf an, „die Elektrifizierung auf Kurs zu bringen, Flexibilität zu stärken, Systemkosten zu reduzieren und den Ausbau erneuerbarer Energien ambitioniert fortzusetzen: Das sichert günstigen Strom, macht Deutschland unabhängiger von fossilen Energieimporten, stärkt die heimische Industrie und sorgt für konsequenten Klimaschutz.“

Die Analyse nennt vier „strategische Hebel“, mit deren richtiger Bedienung sowohl die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft als auch der Klimaschutz gestärkt werden könnten.

Dies beinhaltet zunächst die Elektrifizierung: Eine Senkung der Strompreise, die Überführung der nationalen CO2-Bepreisung in den Europäischen Zertifikatehandel (ETS II), sozial gestaffelte Förderprogramme für Elektroautos und Wärmepumpen sowie eine modernisierte Infrastruktur mit flächendeckenden Ladepunkten und Wärmenetzen seien Instrumente, um hier schneller voranzukommen. In Deutschland liege der Anteil von Strom am Endenergieverbrauch bei knapp 20 Prozent und sei damit „im Vergleich zum restlichen Europa, den USA, China und dem Vorreiter Norwegen bisher sehr niedrig.“

Der zweite von vier Punkten ist eine Stärkung der Flexibilität: dynamische Netzentgelte in Kombination mit digitalisiertem Netzmanagement werden als Mittel genannt, aber auch das von der Bundesregierung zuletzt so entschieden verfolgte Thema der Gaskraftwerke: Ausschreibungen für Versorgungssicherheit sollten Agora zufolge „günstige Flexibilitäten wie Großbatterien und kurzfristige Verbrauchsanpassungen zum Wettbewerb zulassen, statt sich auf teure Großkraftwerke festzulegen“.

Punkt drei ist eine Minimierung der Stromnetzkosten und umfasst zum Beispiel staatliche Eigenkapitalbeteiligungen, die Bevorzugung von Freileitungen gegenüber Erdkabeln und einen optimierten Netzbetrieb. Ein steigender Stromverbrauch durch forcierte Elektrifizierung führe zudem dazu, dass die umgelegten Kosten pro Kilowattstunde sinken.

Als vierten strategischen Hebel nennt die Analyse den Erneuerbare-Energien-Ausbau. Hier müssten „neue Marktinstrumente“ die Integration von Windenergie an Land verbessern, und „eine optimierte Flächennutzung bei Windkraft auf See in Kooperation mit den europäischen Nachbarn“ könne Kosten sparen. Bei der Photovoltaik „sollte der Fokus noch stärker auf die kostengünstigsten Optionen gelegt werden – große Dachflächen und Freiflächenanlagen“.

Der Erneuerbaren-Ausbau sei nicht nur eine wichtige Voraussetzung zum Gelingen der Elektrifizierung, sondern sollte auch unabhängig von der Entwicklung der Stromnachfrage auf jeden Fall vorangetrieben werden: Nach Berechnungen von Aurora Energy Research im Auftrag von Agora Energiewende „sorgt der Ausbau von Wind- und Solarenergie für sinkende Strompreise von bis zu 23 Prozent bis 2030“.

Unter Beibehaltung einer engagierten Elektrifizierung werde der Stromverbrauch indes deutlich steigen, Agora taxiert ihn auf 701 Terawattstunden im Jahr 2030 (2024 waren es rund 466 Terawattstunden). Gegenüber bisherigen Agora-Annahmen wären das rund 26 Terawattstunden weniger, was unter anderem am verzögerten Hochlauf der Elektromobilität (minus 12 Terawattstunden) und Wärmepumpen (minus 4,3 Terawattstunden) liegt. Noch mehr macht der konjunkturell bedingte Minderverbrauch der Industrie aus (minus 36 Terawattstunden). In die andere Richtung wirkt etwa der gesteigerte Verbrauch von Rechenzentren (plus 12 Terawattstunden) und Stromspeichertechnologien wie Batterien und Elektrolyseuren zur Wasserstoffproduktion (plus 10 Terawattstunden). Auf jeden Fall, so Julia Bläsius, Direktorin von Agora Energiewende Deutschland, müsse hier über das Jahr 2030 hinaus geplant werden: „Bis 2045 wird der Strombedarf weiter stark ansteigen – das muss bei der Planung des Erneuerbaren-Ausbaus und der Stromnetze schon heute mitgedacht werden.“ Die aufgrund der zuletzt unerwartet niedrigen verbrauchszahlen oft vorgeschlagene Verlangsamung beim Erneuerbaren-Ausbau hält sie für den falschen Weg: „„Die Antwort auf eine schwächelnde Stromnachfrage sollte sein, die Elektrifizierung anzuschieben und die Netze fit für den zunehmenden Verbrauch aus Verkehr, Gebäuden und der Industrie zu machen – statt den Erneuerbaren-Ausbau zu bremsen.“

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