Von 3 auf 100 Prozent – wie ein echter Neustart die Digitalisierung retten kann – pv magazine Deutschland


Der weitere Erfolg der Energiewende hängt auch und ganz wesentlich von der erfolgreichen Digitalisierung ab. Allein im Juni gab es 141 Stunden mit negativen Preisen und der Marktwert für Solarstrom sank auf 1,84 Cent pro Kilowattstunde. Ein Grund dafür: Der Verbrauch, egal ob Elektroauto, Wärmepumpe oder Waschmaschine, kann sich noch nicht flexibel am Angebot ausrichten. Denn dafür bräuchte es, wer wüsste das nicht, einen Smart Meter.

Denn ohne digitale Infrastrukturen bleibt das Energiesystem blind. Die Folge sind steigende Redispatch-Kosten, verringerte Marktwerte für erneuerbare Energien und Gefahren für die Netzstabilität. Doch beim Rollout tut sich Deutschland seit Jahren sichtlich schwer. Während die meisten europäischen Nachbarländer längst an der 100 Prozent-Quote kratzen, krebsen wir bei erschreckenden 3 Prozent herum.

Die Gründe dafür sind branchenintern seit langem bekannt: Der Rollout gemäß Messstellenbetriebsgesetz ist überreguliert, überkompliziert und dysfunktional. Die 850 grundzuständige Messstellenbetreiber sind oftmals schlicht und einfach überfordert. Hunderte von Ihnen haben noch nicht ein einziges! intelligentes Messystem verbaut. Das lässt sich durch verschiedene Faktoren erklären, etwa: Zu hohe technische Komplexität, überzogene Zertifizierungshürden, fehlende Skaleneffekte, aber vor allem auch eine Marktstruktur, die Wettbewerb und Innovation verhindert.

Mehr als zwei Jahre nach dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende muss leider konstatiert werden: Es braucht einen weiteren Neustart.

Unter unserer Federführung haben sich führende Unternehmen der Branche auf Maßnahmen verständigt, die der Digitalisierung neuen Schwung verleihen würden.

Freie Fahrt für einfache smarte Messgeräte

Zunächst: Die hiesige „one size fits all“-Einheitslösung hat sich nicht bewährt. Zu unterscheiden sind die Kunden mit externem Steuerbedarf und solche Kunden die allein einen smarten Tarif nutzen wollen.

Für steuerbare Verbraucher und Einspeiser (Pflichteinbaufall) – also etwa §14a EnWG-Lasten, Photovoltaik-Anlagen ab7 Kilowatt – ist der Einbau intelligenter Messsysteme Pflicht. Diese Systeme müssen nicht nur genau messen, sondern auch verschlüsselte Steuerbefehle des Netzbetreibers empfangen und verarbeiten können sowie steuerbar sein.  Die Anforderungen an die Systemstabilität sind hoch, daher ist hier der Einsatz von intelligenten Messsystemen gerechtfertigt und notwendig. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Netzbetreiber ist dafür ein hoher Standardisierungsgrad nötig.

Für Endkunden ohne Steuerungsbedarf, die lediglich variable Stromtarife nutzen wollen, reicht ein einfacher smarter Zähler, ein sogenannter Smart Meter light. Nötig ist hierbei allein die viertelstündliche Messung und Übertragung der Verbrauchswerte. Ein intelligentes Messsystem wäre hier technisch überdimensioniert und wirtschaftlich ineffizient.

Mehr Wettbewerb statt fortgesetzter Ineffizienz in staatlichen Monopolstrukturen

Des Weiteren muss dringend der Wettbewerb gestärkt werden. Wettbewerbliche Messstellenbetreiber sind zentrale Treiber der Digitalisierung und des Smart-Meter-Rollouts in Deutschland, da sie Innovationen vorantreiben und Kunden flexible, marktorientierte Lösungen bieten. Ihr Potenzial wird jedoch durch die bestehenden Marktstrukturen ausgebremst: grundzuständige Messstellenbetreiber, meist identisch mit den Verteilnetzbetreibern, überwachen gleichzeitig die wettbewerbliche Messstellenbetreiber, obwohl sie in wirtschaftlicher Konkurrenz stehen. Diese Interessenkonflikte führen zu Marktverzerrungen, Diskriminierungen und einem hohen Kommunikationsaufwand. Nur durch die Anpassung der regulatorischen, prozessualen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann die Innovationskraft der wettbewerblichen Messstellenbetreiber voll ausgeschöpft und ein skalierbarer, kundenorientierter Rollout digitaler Infrastruktur gewährleistet werden.

Blindflug in den Verteilnetzen beenden

Genauso wichtig ist die Digitalisierung der Verteilnetze selbst. Während der Großteil der Energiewende genau hier stattfindet, fehlt es an Transparenz und digitaler Steuerbarkeit. Viele Netzbetreiber haben kaum Daten über Einspeisung und Verbrauch: Dadurch wird eine vorausschauende Planung unmöglich und Anschlussprozesse geraten ins Stocken. Statt gezieltem Netzmanagement dominiert reaktives Handeln – teuer, pauschal und ineffizient. Das Ergebnis sind steigende Redispatchkosten und wachsende Risiken für die Versorgungssicherheit. Klar ist: Ohne eine konsequente Digitalisierung bleiben die Verteilnetze das schwächste Glied der Energiewende.

Fazit

Die Energiewende braucht keine weiteren Detailvorgaben, sondern ein Einfaches, digitalisiertes und wettbewerbliches Marktumfeld. Digitalisierung sorgt für Transparenz und Steuerbarkeit, Wettbewerb sorgt für Innovation und Kundennähe und Entbürokratisierung sorgt für Tempo und Effizienz. Nur so kann Deutschland die Energiewende effizient, sicher und günstig voranbringen.

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Robert Busch, Geschäftsführer bne— Der Autor Robert Busch ist Geschäftsführer des Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne). —

Hier findet sich das vollständige Positionspapier des bne

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