Verlangsamte Energiewende birgt hohe Risiken – pv magazine Deutschland


Mit Blick auf den von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche beauftragten Monitoringbericht hat Enervis im Auftrag von Greenpeace und Green Planet Energy die möglichen Folgen eines langsameren Photovoltaik- und Windkraftzubaus abgeschätzt. Sie wären selbst dann negativ, wenn auch der Umstieg auf Elektromobilität und Wärmepumpen weiter verzögert würde.

Um den Stromverbrauch, der möglicherweise nicht so schnell ansteigt wie in den von der Ampel-Koalition verfolgten Szenarien, dreht sich in letzter Zeit ein Großteil der energiepolitischen Debatte. Der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie beauftragte Monitoringbericht zur Energiewende ist deshalb bereits vor seiner Fertigstellung heftig umstritten – nicht zuletzt deshalb, weil Ministerin Katherina Reiche schon vorab die aus ihrer Sicht wahrscheinlichen Konsequenzen dargelegt hat. Der Photovoltaik- und Windkraftzubau müsse mit dem Ausbau der Netze synchronisiert und deshalb abgebremst werden.

Im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace und des Energieversorgers Green Planet Energy (ehemals Greenpeace Energy) hat nun das energiewirtschaftliche Beratungsunternehmen Enervis Energy Advisors eine Kurzstudie zu den möglichen Folgen einer solchen Abbremsung der Energiewende erstellt. Im Details ging es um die Konsequenzen eines verlangsamten erneuerbaren-Zubaus auf die Sektoren Verkehr und Wärme.

Enervis nahm als Grundlage seiner Analyse ein Referenzszenario, das sich an den noch von der Ampelkoalition definierten Zielen orientiert: Demnach wäre 2030 eine Photovoltaik-Gesamtleistung von 215 Gigawatt erreicht. Windkraft wäre bei 145 Gigawatt angekommen, davon 30 Gigawatt auf See. Bundesweit wären 15 Millionen Elektrofahrzeuge unterwegs und 6 Millionen Wärmepumpen in Betrieb.

Fortgeschrieben bis 2035 entspräche dies der Studie zufolge 311 Gigawatt Photovoltaik, 148 Gigawatt Wind an Land und 40 Gigawatt Wind auf See. Dem gegenüber steht ein Szenario mit geringerem Erneuerbaren-Ausbau, es ergäbe im Jahr 2035 229 Gigawatt Photovoltaik, 37 Gigawatt Wind auf See und 111 Gigawatt Wind an Land. Auch die Elektrifizierung von Verkehrs- und Wärmesektor käme langsamer als geplant voran, es wären nur rund 8,1 Millionen Elektroautos und 2,4 Millionen Wärmepumpen im Einsatz.

Hinsichtlich der zu erwartenden Emissionen im Stromsektor unterscheiden sich die beiden Szenarien zunächst einmal nur geringfügig. Weil aber Autos und Heizungen noch viel stärker auf fossile Energien angewiesen wären, die Gesamtemissionsmenge enorm an. Im Verkehrssektor wären es, kumuliert bis 2035, zwischen 73 und 150 Millionen Tonnen CO2, also 7 bis 14 Millionen Tonnen jährlich; im gesamten Jahr 2024 emittierte der Verkehrssektor Enervis zufolge rund 143 Millionen Tonnen CO2. Die hohe Bandbreite der Abschätzung entsteht, weil die gegenüber dem Referenzszenario fehlenden Elektroautos in den Berechnungen entweder durch Plug-in-Hybride oder durch Verbrenner ersetzt wurden.

Im Wärmebereich ergäben sich Mehremissionen von kumuliert 231 Millionen Tonnen bis 2035, also jährlich 21 Millionen Tonnen; der Wärmesektor emittierte 2024 rund 101 Millionen Tonnen.

Unterm Strich führt das Szenario, wie Green Planet Energy vorrechnet, zu Mehremissionen, die im schlimmsten Fall ungefähr dem Jahresausstoß Australiens entsprächen. Allein die Kosten durch den europäischen Emissionshandel könnten sich demnach bereits für das Jahr 2030 auf bis 8,4 Milliarden Euro belaufen. Insgesamt drohten – berechnet auf Basis der vom Umweltbundeamt veröffentlichten Klimakosten – bis zum Jahr 2030 gesellschaftliche Kosten von bis zu 128 Milliarden Euro.

Dem gegenüber steht ein Szenario, bei dem die Elektrifizierung von Verkehrs- und Wärmesektor planmäßig verläuft und deshalb der Strombedarf steigt, die Erneuerbaren aber nicht wie geplant ausgebaut werden. Dann müssten Elektroautos und Wärmepumpen zu einem großen Anteil mit fossilem Strom versorgt werden, was bis 2035 Mehremissionen von kumuliert 62 Millionen Tonnen erwarten ließe.

Würden hingegen Photovoltaik und Windkraft wie geplant ausgebaut, aber die Elektrifizierung von Autos und Heizungen bliebe auf dem aktuellen Pfad und damit weit hinter den Zielen zurück, hätte dies trotzdem viele Vorteile. Die kumulierten Emissionen des Stromsektors bis 2035 würden sich gegenüber dem Szenario mit verlangsamtem Ausbau um 76 Millionen Tonnen verringern. „Was wäre schlimm daran“, fragt Nils Müller, Vorstand von Green Planet Energy, „früher günstige grüne Energie zu produzieren, diese den Menschen über Wärmepumpen und Elektroautos effizient nutzbar zu machen und so die Abhängigkeit von Öl und Gas zu beenden? Nichts – außer, wenn man Politik für die Geschäftsmodelle fossiler Konzerne macht.“

Die Kurzstudie steht im Blog-Bereich der Webseite von Green Planet Energy zum Download bereit.

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