Abschied vom technischen DAC – es gibt Besseres – pv magazine Deutschland


Die Erderwärmung legt zu, die Politik den Rückwärtsgang ein. Die Fossil-Lobbyistin Katherina Reiche (CDU) operiert jetzt vom Bundeswirtschaftsministerium aus. Sie gibt vor, die Energiepreise senken zu wollen, indem sie die mit Abstand günstigsten Erneuerbaren stoppt und den Ausbau der teuersten, der Gaskraftwerke, fördert – die durch die vorgesehene Ausrüstung mit CCS nochmal extra teurer werden.

Die Tatsache, dass die Sonne keine Rechnung schickt, bezeichnet sie als „so bekloppt wie simpel“. So etwas könne sich nur ausdenken, wer „von Energie nix versteht“.

Klar braucht es für die Nutzung der Sonnenenergie Umwandlungstechnik, die auch etwas kostet. Aber die Ausgangsenergie kommt frei Haus.

Bei der fossilen und atomaren Energie sind Kraftwerke die Umwandlungstechnik – und kosten viel (und nicht nur den unmittelbaren Preis, sondern auch noch die „externen Kosten“ wie Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschädigung). Und die Ausgangsenergie in Form von Gas, Kohle, Öl und Uran muss zusätzlich mit kostenintensivem Aufwand kontinuierlich beschafft werden. Das fällt bei den Erneuerbaren weg.

Dass Reiche denen, die diese Zusammenhänge beachten, attestiert, bekloppt zu sein und von Energie „nix“ zu verstehen, ist nicht nur unvorstellbar dumm, sondern ein Anschlag auf die Menschenwürde – neben der Missachtung des Klimaschutz-Gebotes Reiches zweiter Verstoß gegen das Grundgesetz.

Die Konsequenz aus all dem dürfte sein, mehr und mehr auf Autonomie zu setzen, wie Hermann Scheer es beschrieben hat: „Die autonome Aneignung Erneuerbarer Energien durch eine Vielzahl von Akteuren ist die einzige erfolgversprechende Methode, den Energiewechsel rechtzeitig und unumkehrbar gegen die Funktionslogik des überkommenen Energiesystems durchzusetzen. Dieser Weg zum Durchbruch erneuerbarer Energien führt zu einer durchgängig neuen Struktur der Energienutzung, die nur neben der gegenwärtigen entstehen kann – und diese Zug um Zug ersetzt und schließlich überflüssig macht.“

CO2-Entnahme aus der Luft

Auch bei den Versuchen, den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu senken, wird ein epochal neuer Weg aufgezeigt. Bekanntlich steht der CO2-Gehalt der Atmosphäre derzeit bei 425 parts per million (ppm). Das ist ein Wert, der auch dann, wenn er aufgrund eines totalen Emissionsstopps nicht erhöht würde, Kipppunkte auslöst, die die Temperatur auf dem Planeten weiter ansteigen lassen und zur ultimativen Katastrophe führen. Um das zu verhindern, müssen zwei Aufgaben gelöst werden: Erstens die CO2-Emissionen schnellstens auf nahe null bringen, zweitens das in der Atmosphäre befindliche CO2 auf ein verträgliches Maß reduzieren. Wissenschaftler haben ermittelt, dass das 350 ppm wären. Um das zu erreichen, müssten der Atmosphäre 1.700 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) im Zeitraum von einigen Jahrzehnten entzogen werden.

In der Schweiz wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem CO2 aus der Luft herausgefiltert werden kann, „Direct Air Capture“ – kurz DAC. Der Aufwand ist allerdings wahnwitzig: Eine Million Teile Luft müssen mit hohem Energieaufwand durch den Filter geschleust werden, um (sagen wir) 400 Teile CO2 (das sind 0,4 Promille) abzuscheiden. Die Kosten pro abgeschiedener Tonne CO2 belaufen sich nach Angaben der Firma Climeworks, die das bisher größte einschlägige Projekt in Island betreibt, auf 500 bis 1000 US-Dollar. Auch diese hohen Zahlen dürften alles andere als verlässlich sein, denn kürzlich wurde bekannt, dass die zweite in Island errichtete Anlage für ein Jahresprodukt von 36.000 Tonnen CO2 konzipiert war, jedoch nur 105 Tonnen lieferte.

Um mit dieser Technik klimarelevante Mengen CO2 aus der Luft zu entfernen, müsste quasi das gesamte Festland der Erde mit Anlagen vollgepflastert werden. Bernhard Weßling hat dazu weitere Berechnungen angestellt.

Die Misserfolge in Island sind derart gravierend, dass vermutlich auch finanzielle und wissenschaftliche Unterstützer Zweifel bekommen, ob dieser Ansatz weiter verfolgt werden sollte.

EWG:Mit Ocean-Farming unseren Planeten abkühlen“

In diesem Moment hat die Energy Watch Group (EWG) mit ihrem Präsidenten Hans-Josef Fell ein hoch interessantes Alternativkonzept zur Verminderung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre vorgelegt: Zur Entnahme des CO2 aus der Luft wird die natürliche Photosynthese genutzt. Sonne und grüne Pflanzen holen nicht nur völlig selbsttätig das CO2 aus der Luft, sondern machen zusätzlich etwas, was kein technisches Einfangverfahren kann: Sie zerlegen es in Kohlenstoff (C)  und Sauerstoff (O2). Der Kohlenstoff wird in den Pflanzenkörper eingebaut, der Sauerstoff in die Luft entlassen, wo er hingehört, anstatt wie bei CCS mit unter die Erde gepresst zu werden. Für diesen Vorgang wird nicht einmal eine künstliche Umwandlungstechnik benötigt. Die Sonne liefert sowohl die Ausgangsenergie als auch die Umwandlung – beides ohne Rechnung!

Wald, gerade auch der Waldboden, Feuchtgebiete, wiedervernässte Moore, gesunde Ackerböden, wie sie durch biologische Landwirtschaft entstehen, sind hoch wichtige Kohlenstoffsenken, die weiter entwickelt werden müssen. Pflanzliches und tierisches Leben haben wichtige Funktionen, auch die höher entwickelten Tiere in Wald und Flur. Klimaschutz und Biodiversität brauchen sich gegenseitig.

Diese Gesundungspunkte reichen aber nicht aus, um das global schwer angeschlagene Klima zu sanieren. EWG schlägt daher vor, Makroalgen im großen Stil auf dem freien Meer anzubauen. Sie haben eine Vermehrungsrate, der sich keine Landpflanze auch nur annähert. In zehn Tagen verdoppeln sie ihre Masse, alle zwei bis drei Wochen kann geerntet werden. Das Pflanzenmaterial ist auf vielfältige Weise nutzbar, zum Beispiel in Baustoffen. Natürlich muss sichergestellt werden, dass eine Oxydation für lange Zeiträume ausgeschlossen wird.

Raffen wir uns auf!

Haben wir noch den Mut, die Gesamtlage des Planeten, den wir bewohnen, anzuschauen und uns dem zu stellen, was diese von uns fordert? Oder haben wir unsere Köpfe schon so tief im Sand stecken, dass wir nur noch das Klein Klein um uns herum wahrnehmen und dem Anblick des Großen Ganzen ausweichen?

Das von EWG vorgelegte Konzept ist ein erster Aufschlag. Aber die Richtung, die es einschlägt, ist von epochaler Bedeutung: nicht gegen die Natur, sondern mit der Natur arbeiten! Durch Nutzung der Photosynthese für den zentralen Schritt des Unterfangens wird das realisiert. Daraus entsteht eine Zuversicht, dass auch die Details der konkreten Ausführung so gestaltet werden können, dass sie der Ökologie und der nötigen Verbindung von Klimaschutz und Biodiversität gerecht werden.

„Kleinräumige, vielversprechende Prototypen zur CO₂-Entnahme sollten mit der nötigen Vorsicht, fundierter Risikoabschätzung und begleitenden Maßnahmen erprobt werden. Gelingt dies, öffnen sich realistische Chancen auf skalierbare Lösungen zur gezielten Klimaabkühlung.“ schreiben die Verfasser der Studie und wecken damit Vertrauen, dass das Vorgehen achtsam sein wird.

Unmittelbare energiepolitische Auswirkungen denkbar

Wenn das Projekt breite Zustimmung und Unterstützung findet, sind auch unmittelbare energiepolitische Wirkungen vorstellbar: Dass die Idee des technischen DAC begraben ist, kann man jetzt schon annehmen. Damit wird auch CCS abgewertet. Wenn sich die Erkenntnis verbreitet und vertieft, dass es zur Lösung der Klima- und Umweltprobleme ein Zusammenwirken mit der Natur braucht, werden auch die Versuche der konventionellen Energiewirtschaft, noch eine Zukunft zu beanspruchen, an Kraft verlieren und den Fortschritt des Energiewechsels immer weniger behindern können.

— Der Autor Christfried Lenz, politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —

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