Richter stufen Denkmalschutz höher als Photovoltaik ein – pv magazine Deutschland


Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat zwei Hauseigentümern untersagt, auf den Dächern ihrer Häuser in Goslar eine Photovoltaik-Anlage zu installieren. Die Altstadt sei Teil des Unesco-Weltkulturerbes. Der Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen|Bremen sieht das Urteil kritisch.

Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat in dieser Woche die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. In ihrem Urteil verwiesen die Richter, dass nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts die Behörden Photovoltaik-Anlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen müssen und die Nutzung erneuerbarer Energien weitgehend Vorrang habe. In den allermeisten Fällen gebe es daher einen Rechtsanspruch auf Genehmigung von Photovoltaik-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden, doch zugleich sehe das Gesetz für „atypische Situationen“ Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich, so die Richter.

Sie sahen in diesem Fall einen solchen seltenen Ausnahmefall vorliegen. „Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des Unesco-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor“, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Das Gesamterscheinungsbild würde durch die Installation „erheblich gestört“, so die Argumentation der Denkmalschützer, der die Richter nach einer ausführlichen mündlichen Verhandlung folgten. In dem vorliegenden Fall überwiege der Denkmalschutz „ausnahmsweise“ den Interessen zur Nutzung Erneuerbarer.

Als Begründung wiesen die Richter auch auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen anderen Fällen dieser Art müssten dann auch Photovoltaik-Anlagen genehmigt werden. Dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern, teilte das Gericht mit. Die Kläger können noch Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht gegen das Urteil einlegen.

Der Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen|Bremen e.V. (LEE NDS/HB) sieht das Braunschweiger Urteil mit Blick auf eine erfolgreiche Energiewende kritisch. Ihm kommt die Bedeutung des Klimaschutzes als gesamtgesellschaftliche und verfassungsrechtliche Aufgabe zu kurz. „Der Schutz des Klimas ist seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2021 Verfassungsauftrag – auch auf kommunaler Ebene“, sagte Silke Weyberg, Geschäftsführerin des LEE NDS/HB. „Ein wichtiger Baustein für das Gelingen der Energiewende sind möglichst energieautarke Städte. Dafür braucht es jedes Dach.“

Der Landesverband betonte, dass Photovoltaik-Anlagen so installiert werden können, dass ein rückstandsloser Rückbau möglich ist. Das historische Bauwerk werde daher nicht zerstört, sondern bleibe im Kern erhalten. Zudem sei die Installation einer Photovoltaik-Anlage nicht mit einer strukturellen Veränderung des Gebäudes vergleichbar, wie etwa einem Anbau oder einer Fassadenveränderung.

Der LEE NDS/HB fordert deshalb den Aspekt der Reversibilität zukünftig in solchen Fällen stärker zu gewichten als ästhetische Argumente. Auch hinterfragt der Verband das Argument einer möglichen „Präzedenzwirkung“. Aus seiner Sicht könne ein genehmigtes Projekt mit denkmalgerechter Umsetzung als Vorbild für andere Häuser und Kommunen dienen. Es gehe nicht um eine Entwertung des Welterbes, sondern um dessen Zukunftsfähigkeit.

„Das Urteil setzt ein falsches Signal. Wir brauchen eine Denkmalpflege, die sich als Teil der Lösung versteht – nicht als Blockade“, sagte Silke Weyberg weiter. „Wenn der Denkmalschutz keine modernen Lösungen zulässt, erreicht er am Ende genau das Gegenteil von dem, wofür er bestimmt ist.“

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Batteriespeicher, Zubau, Szenarien, THEMA



Source link

Add a comment

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *