Die neue Regelung soll alle Fertigungsprojekte im Bereich der sauberen Energietechnologien unterstützen, die unter den Net-Zero Industry Act fallen. Während die Bundeswirtschaftsministerium den Beihilferahmen ausdrücklich begrüßte, kam von den Verbänden BEE, BDI und BDEW deutliche Kritik.
Die Europäische Kommission hat einen neuen Rahmen für staatliche Beihilfen (Clean Industrial Deal State Aid Framework, CISAF) zur Unterstützung des so genannten Clean Industrial Deal (CID) angenommen. Mit diesem Plan sollen 100 Milliarden Euro zur Förderung der Produktion sauberer Technologien in den EU-Mitgliedsstaaten mobilisiert werden. Die Kommission erklärte, dass der CISAF bis Ende 2030 gelten wird, um den Einsatz neuer erneuerbarer Energiekapazitäten und kohlenstoffarmer Kraftstoffe zu unterstützen und gleichzeitig niedrige Strompreise für energieintensive Unternehmen zu gewährleisten. Der CISAF tritt alsbald mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Mit der neuen Regelung sollen alle Fertigungsprojekte im Bereich der sauberen Energietechnologien, die unter das Gesetz über die Net-Zero-Industrie fallen, sowie alle Produktionsprojekte im Bereich der Netto-Null-Technologien „auf individueller Basis unterstützt werden, wenn dies erforderlich ist, um zu verhindern, dass solche Investitionen aus Europa abgezogen werden.“
Die Kommission legte fest, dass die finanzielle Unterstützung für einzelne Projekte 200 Millionen Euro nicht überschreiten darf. Sie wies darauf hin, dass sowohl Finanzierungslücken als auch wettbewerbsorientierte Ausschreibungsverfahren als Instrument zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs eingesetzt werden könnten.
Der Beihilferahmen soll es den EU-Mitgliedsländern auch ermöglichen, die Genehmigungsverfahren für saubere Energietechnologien zu straffen und Flexibilitätsmaßnahmen und Kapazitätsmechanismen einzuführen, um die Flexibilität des Energiesystems zu erhöhen. Darüber hinaus sollte er eine Senkung der Stromkosten für energieintensive Verbraucher ermöglichen.
„Wenn Europa im Bereich der sauberen Technologien führend sein will, müssen wir mit Mut und Klarheit handeln“, sagte Teresa Ribera, Vizepräsidentin der EU-Kommission. „Der neue Rahmen vereinfacht und beschleunigt die Unterstützung der Dekarbonisierung, aber er geht noch weiter: Er erkennt den Staat als strategischen Investor in unsere Zukunft an.“
Der Net Zero Industry Act (NZIA) soll dazu beitragen, dass mindestens 40 Prozent des jährlichen Bedarfs an strategischen Technologien, darunter Photovoltaik-Module, Batterien und Wärmepumpen, in Europa produziert werden. Die Regelung schreibt schnellere Genehmigungsverfahren für alle erneuerbaren Energien und Energiespeichertechnologien vor und legt maximale Genehmigungsfristen auf der Grundlage von Projektumfang und -leistung fest. Die Gesetzgebung sieht auch Net-Zero Acceleration Valleys vor, in denen die EU-Mitgliedsstaaten Teile der Umweltverträglichkeitsprüfung übernehmen werden, um die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.
Reaktionen aus Deutschland
Bundeswirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche (CDU) begrüßte die Vorlage. „Die Europäische Kommission hat einen pragmatischen, technologieoffenen und zukunftsgerichteten Beihilferahmen für Energie, Dekarbonisierung und Transformationstechnologien beschlossen und dabei auch Vorschläge der Bundesregierung aufgegriffen“, sagte sie. Reiche kündigte an, dass ihr Ministerium „nun ein konkretes Konzept für einen Industriestrompreis“ vorlegen wolle, um die Strompreise der Unternehmen schnell zu senken.
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hält dagegen den von der EU-Kommission beschlossenen Beihilferahmen für „nicht zukunftsgerecht“. Der Verband fordert eine erneute öffentliche Konsultation und Abstimmung. „Trotz einzelner positiver Elemente des CISAF, wie einer klareren Formulierung bezüglich der Gestaltung von Investitionsrahmen für Erneuerbare oder der Einbeziehung von Bioenergie, führe CISAF durch die weitergehende Beihilfefähigkeit von sogenannten dekarbonisierten (“low-carbon”) Energieträgern auf fossiler und atomarer Basis in die falsche Richtung“, moniert der Verband in einem Statement. Der Beihilferahmen sei damit nicht geeignet die Energiewende zu beschleunigen, sondern könnte diese sogar behindern.
“Die Beihilfefähigkeit von fossilen und nuklearen Technologien untergräbt die Vorteile von sauberen, kostengünstigen und heimischen Erneuerbaren-Technologien“, sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. “Gerade in den derzeit geopolitisch angespannten Zeiten kommt es darauf an, Abhängigkeiten von Importen und Technologien deutlich zu verringern, anstatt sie unnötig zu verlängern. Ansonsten entstehen ökonomische Risiken, die die Volkswirtschaft und den Industriestandort stark belasten werden.“
Auch beim Bund der Deutschen Industrie (BDI) hält sich die Zustimmung in Grenzen. Der Beihilferahmen könne „eine Tür öffnen für die Unterstützung der Transformation und für wettbewerbsfähige Strompreise für sehr energieintensive Unternehmen“. „In der vorgelegten Form ist dieser Rahmen aber leider noch nicht zufriedenstellend und muss weiterentwickelt werden“, heißt es vom BDI weiter. Aus Sicht des Verband enthält der Rahmen immer noch zu detaillierte Vorgaben für einzelne Technologien, die die Möglichkeiten für Unternehmen erheblich einschränken. „Das steht im Widerspruch zu der Zielsetzung, die EU-Klimaziele auf technologieneutrale und kosteneffiziente Weise zu verfolgen. Die Industrie hätte sich einen deutlich pragmatischeren Ansatz gewünscht“, so der BDI weiter. Er fordert von der Bundesregierung, ein überzeugendes Konzept vorzulegen und mit der EU-Kommission in konkrete Verhandlungen einzutreten.
Beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht man Risiken, wie die Vorgaben zu einem möglichen Industriestrompreis in dem beschlossenen Rahmen. „Den jetzt vorliegenden EU-Beihilferahmen bewerten wir allerdings insbesondere mit Blick auf einen möglichen Industriestrompreis als kritisch. Er sieht erhebliche marktbeeinträchtigende Regeln vor, die negative Effekte nach sich ziehen“, kommentierte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae. „Problematisch ist insbesondere, weil bei voller Nutzung der vorgesehenen Spielräume, eine relativ große Absicherung des Preisrisikos erfolgt. Damit sinken die Anreize für Unternehmen, sich über Termingeschäfte langfristig am Markt abzusichern, was sich negativ auf die Liquidität und damit auf die Preise für die Marktteilnehmer auswirkt, die nicht zum Kreis der Begünstigten zählen. Zugleich sinkt die Attraktivität langfristig geschlossener Stromlieferverträge aus Erneuerbaren Energie (Green PPA). Das führt nicht nur zu Marktverzerrungen im Großhandel, sondern auch zu einer Verlangsamung beim Erneuerbaren-Ausbau.“ Der BDEW fordert daher die Einbeziehung von Industrie und Energiewirtschaft, wenn die Bundesregierung ihre nationale Lösung für einen Industriestrompreis entwickelt.
„Positiv ist, dass die Förderregeln des CISAF für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien so ausgestaltet sind, dass auch weiterhin eine Förderung des Ausbaus der Erneuerbaren durch die Mitgliedstaaten möglich bleibt“, so Andreae weiter.
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