Dicht an dicht brüten die Lerchen – pv magazine Deutschland


Lerchen und andere Vogelarten lassen sich nicht von Solarparks abschrecken. Im Gegenteil, sie brüten hier erfolgreicher als an vielen anderen Orten. Ein Besuch in einem der größten Photovoltaik-Kraftwerke Deutschlands zeigt, dass die Flächen als Rückzugsraum angenommen werden und sie auch positive Auswirkungen auf die Umgebung haben können.

Lerchen sind selten geworden in der deutschen Agrarlandschaft. In diesem Moment kann ich aber mehrere gleichzeitig hören. Dort, nur 30 Meter entfernt, steigt wieder eine auf. Aus dem knöchelhohen Gras schwingt sie sich senkrecht in den Himmel und beginnt, nach wenigen Metern bereits laut zu trällern. Irgendwo unter ihr am Boden ist vermutlich das Nest versteckt, gut getarnt gegen zufällige Entdeckungen.

Die hohe Dichte an brütenden Lerchen, hier in einem der größten deutschen Solarparks zwischen Weesow, Willmersdorf und Werneuchen in Brandenburg nördlich von Berlin, findet der Biologe Matthias Stoefer sehr erstaunlich. Bei seinen Brutrevierkartierungen zählte er 178 Reviere innerhalb des Solarparks und auf den Randflächen. Auf zehn Hektar Fläche kommen hier im Schnitt 21 bis 47 Brutpaare. Das sei die höchste Lerchendichte, die ihm je begegnet sei. Die Referenzfläche auf einem nahegelegenen Acker kommt nur auf 33 Reviere, umgerechnet 7,6 Lerchenpaare pro 10 Hektar. Ob sie dort erfolgreich brüten können, wenn der Landwirt im Laufe des Sommers spritzt und düngt und erntet, ist allerdings fraglich.

Die hohen Zahlen im Photovoltaik-Freiflächenanlagen sind auch deshalb erstaunlich, weil Lerchen vertikale Strukturen meiden. Die Vögel bevorzugen offene, weite Landschaften abseits von Wäldern und Waldrändern. Die langen Photovoltaik-Tische mit sechs Modulen übereinander scheinen sie aber nicht zu stören. Stattdessen profitieren sie von den Vorteilen des Standorts. Nur sehr selten sind Menschen in der umzäunten Anlage unterwegs. Der Bewuchs wird von Schafen kurz gehalten, die gerade mit ihren Lämmern zwischen den Modulreihen in der Sonne liegen. Die Hinterlassenschaften der Schafe und ein wechselndes Angebot an blühenden Kräutern bieten den Vögeln ein abwechslungsreiches Insektenbuffet.

17 verschiedene Vogelarten

Nicht nur Lerchen wissen das zu schätzen. Direkt am Eingang zum Solarpark wippt ein kleiner Vogel auf einer Modulkante, der in Deutschland vom Aussterben bedroht ist, ein Steinschmätzer. Beim Monitoring vor zwei Jahren hatte Stoefer nur ein Brutpaar entdeckt. In diesem Jahr muss er nicht lange suchen. Vögel lernen auch dazu. Brüten Sie zunächst nur am Rand oder in umliegenden Ausgleichsflächen, wandern sie zunehmend zwischen die Reihen. Bachstelzen, Grauammern, Dorngrasmücke, Neuntöter und Schafstelzen brüten unter den Solardächern. Dazu kommen Vogelarten, die dort nur auf Nahrungssuche sind oder Durchzügler, wie der am Himmel kreisende Rotmilan auf der Suche nach Mäusen und anderen Kleintieren. Insgesamt hat Stoefer 17 verschiedene Arten beobachtet.

Dass Solarparks gefährdeten Tieren Lebensräume bieten und bessere als die umliegenden Landwirtschaftsflächen, zeigt auch die neueste Studie des Bundesverbands neue Energiewirtschaft (bne). Allerdings setzt sich diese Erkenntnis erst allmählich durch, genau wie die Entwicklung zum Vogelparadies etwas Zeit braucht. Als ich den damals noch größten Solarpark Deutschlands im Frühjahr 2021 kurz nach der Inbetriebnahme zum ersten Mal gesehen habe, sah er noch nicht lebendiger als der Rasen eines Fußballplatzes aus. Gleichmäßig kurzgeschnittenes Gras bedeckte den Boden. Die Photovoltaik-Freiflächenanlage entspricht mit seinem dichten Reihenabstand auch nicht den Empfehlungen für biodiverse Solarparks.

Schafe halten den Bewuchs in der Anlage kurz und sorgen durch ihre Arbeit für eine abwechslungsreiche Pflanzenwelt.

Foto: pv magazine/ Cornelia Lichner

Mit der richtigen, zurückhaltenden Pflege, bekommt der Park dennoch mit der Zeit ein abwechslungsreiches Gesicht. „Mit dem, an das lokale Ökosystem angepassten, Gesamtkonzept inklusive entsprechender technischer und landschaftspflegerischer Planung sowie Pflege der Fläche, erhält der Solarpark eine in der heutigen Landschaft selten gewordene Strukturvielfalt, die direkt mit der Artenvielfalt korreliert“, sagt Timur Hauck, Konzernexperte Natur- und Artenschutz beim Betreiber EnBW. Nachdem die ehemals landwirtschaftlichen Flächen umgewandelt wurden, werden Dünger und Pflanzenschutzmittel mit der Zeit aus dem Boden ausgewaschen. Je nach Standort und Konzept kann dies durch eine sogenannte aktive Ausmagerung, also die Reduktion der Nährstoffe im Boden, unterstützt werden, beispielsweise über eine Schafsbeweidung oder mechanische Pflege inklusive des Abtransports des Mahdguts. „Im Fall von Weesow hat sich die Schafsbeweidung sehr bewährt, da sie den Solarpark in ein Paradies für Feldlerchen verwandelt hat.“Inzwischen wirkt die Fläche deutlich abwechslungsreicher. In diesem trockenen Frühjahr grünt das Gras nur im Schatten unter den Modultischen zusammen mit Brennnesseln, die die Schafe ungerührt abbeißen. Vor den Reihen auf den besonnten Flächen wachsen trockenresistente, niedrige rotbraune Grasarten, zwischen Flechten, die knirschen, wenn man sie betritt. Wo die Schafe häufig entlanggehen, gibt es sandige Pfade. Das ergibt ein ganzes Mosaik an Biotopen, die zu einer höheren Artenvielfalt beitragen, zum Beispiel für Wildbienen, Käfer, Falter, Heuschrecken oder Eidechsen.

Kein Dünger, keine Pestizide

Damit ein Solarpark in seiner Umgebung eine positive Wirkung entfalten kann, ist es wichtig, die Fläche vor dem Bau zu untersuchen, vorkommende Arten zu erfassen und das Potenzial als Rückzugsraum richtig einzuschätzen. Je nach Standort sind es mal die Vögel, mal Amphibien oder seltene Pflanzenarten, die von der extensiven Bewirtschaftung am meisten profitieren. Aber auch für Arten, die nicht direkt im Fokus stehen, gibt es Entwicklungsmöglichkeiten. Neben den umzäunten Modulflächen umfasst der Solarpark auch breite Wildkorridore und weitere Ausgleichsflächen, wie eine noch wachsende Streuobstwiese. Auch die Menschen sind willkommen mit einem Aussichtspunkt und Rastplatz für Wanderer sowie Platz zum Reiten.

Das Naturschutzgebiet „Weesower Luch“ liegt etwas tiefer als der Solarpark. Zunehmende Trockenheit und hoher Nährstoffeintrag lassen es immer weiter schrumpfen.

Foto: pv magazine / Cornelia Lichner

Im besten Fall erstrecken sich die Auswirkungen über die Grenzen des Parks hinaus, wie Sebastian Geller, Mitglied des Ortsbeirats von Weesow und Stadtverordneter in Werneuchen, erläutert. Der sandige Boden muss, damit er landwirtschaftlich genutzt werden kann, gedüngt werden. Regen wäscht den Dünger aber schnell aus und trägt ihn auf dem leicht abschüssigen Gelände bis ins Weesower Luch, einem Naturschutzgebiet. Der dauernde Nährstoffeintrag und die Trockenheit habe das Feuchtgebiet in den letzten Jahrzehnten beinahe verschwinden lassen, sagt Gellert. Er hofft, dass der Solarpark hilft, die weitere Austrocknung zumindest zu verlangsamen. Ein ganzer Schwarm an Schwalben und Mauerseglern, ein Mäusebussard und sogar ein Storch zeigen, wie dringend die feuchten Inseln in der sonst trockenen märkischen Landschaft gebraucht werden.

Wie der Solarpark auch die Bodenfeuchtigkeit beeinflusst, zeigt eine Untersuchung von Ulrike Feistel und weiteren Wissenschaftlern der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden aus dem Jahr 2022. Sie belegt, dass aufgrund niedrigerer Verdunstung unter den Modulen der Boden in Trockenphasen länger feuchter bleibt, auch wenn zunächst unter den Modultischen weniger Regen ankommt als auf den nicht überdachten Referenzflächen.

Geht es nach den Plänen von EnBW, hat die Natur hier noch mehr als 35 Jahre Zeit, sich weiter zu entfalten. Es wird spannend sein, zu sehen, wie der Park und das Weesower Luch in weiteren fünf oder zehn Jahren aussehen werden.

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