Die Schattenseiten gewerblicher Photovoltaik-Beteiligungen – pv magazine Deutschland


Spätestens seit Mitte 2024 zeigt sich: Die Investition in eine gewerbliche Photovoltaik-Anlage, insbesondere unter Nutzung von Investitionsabzugsbeträgen (IAB), ist in vielen Fällen nicht die grüne, steuerlich attraktive Erfolgsstory, als die sie lange vermarktet wurde. Statt stabiler Renditen und reibungsloser Abläufe erleben viele Anleger erhebliche Probleme – rechtlich, technisch, organisatorisch und wirtschaftlich.

Die vermeintlich sichere Kapitalanlage entpuppt sich häufig als komplexes Risiko-Investment mit schwer durchschaubaren Strukturen. Verkaufsunterlagen enthalten fehlerhafte oder überzogene Prognosen, Verträge sind juristisch angreifbar, Projektlaufzeiten verzögern sich erheblich, und immer mehr Anbieter scheitern – teils mit gravierenden Folgen für die Investoren, da die IAB-Fähigkeit des Geschäftsmodells fahrlässig gefährdet wird.

Das Rund-um-Sorglos-Paket kann es per Definition bei keiner unternehmerischen und gewerblichen Photovoltaik-Anlage geben. Sie müssen sich immer um Ihr Investment kümmern. Auch unter den selbsternannten und von der branchenfremden Presse gefeierten Marktführern gibt es schwarze Schafe, die in den letzten beiden Jahren durch die folgenden Defizite aufgefallen sind und manchen Investor aktuell eine schwere Zeit bereiten.

Vertrauen enttäuscht: Wenn Verkaufsprospekte zu viel versprechen

Ein zentrales Problem liegt in den verwendeten Verkaufsunterlagen, die häufig mit viel zu hohen Renditen werben. Die zugrundeliegenden Prognosen beruhen meist auf der pauschalen Annahme, dass Strompreise in Deutschland langfristig linear steigen werden. Diese Annahme ist jedoch empirisch nicht haltbar – insbesondere nicht im derzeit volatilen Energiemarkt, der stark von regulatorischen Eingriffen, Marktmechanismen und Fördermodellen geprägt ist.

In den Prospekten wird zudem regelmäßig suggeriert, dass sich Preissteigerungen auf der Endverbraucherseite unmittelbar auf die Einnahmesituation von Anlagenbetreibern übertragen lassen. Diese 1:1-Gleichsetzung ist sachlich falsch. In der Praxis sind Einspeisevergütungen von Faktoren wie Vergütungsmechanismen, Direktvermarktungs-verträgen und regionalen Netzparametern abhängig – nicht von Haushaltsstromtarifen.

Ebenso werden die jährlichen Kilowattstunden-Erträge einer Photovoltaik-Anlage teilweise mit einfachen Tools eher geschätzt als seriös ermittelt, wenn denn überhaupt eine konkrete Berechnung für den Anlagenteil vorliegt, den der Investor tatsächlich kauft.

Das Ergebnis sind Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die die realistisch zu erwartende Ertragslage überzeichnen. Anleger erhalten ein Bild, das mit der tatsächlichen Marktsituation wenig zu tun hat. Viele von ihnen treffen ihre Investitionsentscheidung auf Basis eines deutlich verzerrten Risiko-Rendite-Profils.

Juristische Schwächen: Kaufverträge mit unklaren Grundlagen

Die Verträge, die Investoren beim Erwerb einer Beteiligung unterzeichnen, weisen in vielen Fällen erhebliche Mängel auf. So bleibt in den Kaufverträgen der konkrete Kaufgegenstand häufig unklar definiert – insbesondere bei größeren Anlagenverbünden, in denen einzelne Module oder Teilflächen in einem Gesamtprojekt zusammengefasst werden. Dies wird spätestens dann problematisch, wenn der Investor seine Beteiligung weiterverkaufen möchte, jedoch nicht nachweisen kann, welche spezifische Einheit er überhaupt erworben hat.

Hinzu kommt: In zahlreichen Fällen werden nahezu vollständige Kaufpreiszahlungen fällig, ohne dass zuvor ein Bautenstand dokumentiert oder eine technische Teilleistung erbracht wurde. Weder Absicherungen durch Bankbürgschaften noch unabhängige Prüfberichte werden standardmäßig vom Verkäufer vorgelegt. Das führt dazu, dass hohe Summen fließen, ohne dass eine echte Gegenleistung existiert – ein Geschäftsrisiko, das insbesondere für private Kapitalanleger gravierend ist.

Noch schwerwiegender: Viele Verkäufer schließen eine Rückabwicklung der Kaufverträge selbst dann vertraglich aus, wenn eine Schlecht- oder Nichtleistung des offenkundig nachweisbar ist. Damit wird dem Investor ein zentrales kaufrechtliches Instrument aus der Hand genommen – was dem Geist des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und seiner Schutznormen diametral widerspricht.

Technische Abnahmen: Mängel, die weit über kosmetische Defizite hinausgehen

In unserer Praxis wurden wir zuletzt vermehrt zur technischen Abnahme fertiggestellter Anlagen hinzugezogen – häufig mit ernüchterndem Ergebnis. Ein Großteil der Anlagen wurde nicht nach dem Stand der Technik errichtet und ein Neubau der Anlage nötig. Die Mängel sind dabei nicht marginal, sondern gravierend:

  • Herstellerangaben für Unterkonstruktionen wurden entweder ignoriert oder falsch interpretiert – oft mit Folgen für die Standsicherheit der Module.
  • Modulherstellerspezifikationen, die für den Garantieerhalt essenziell sind, wurden nicht beachtet – was bei auftretenden Schäden schnell zu Leistungsausschlüssen führt.
  • Wechselrichter wurden jenseits der empfohlenen Designgrenzen betrieben, was zu vorzeitiger Materialermüdung und Systemausfällen führt.
  • In zahlreichen Fällen fehlt ein funktionierendes Monitoringsystem, sodass weder der technische Betrieb durch den Verwalter überprüfbar ist noch zeitnahe Fehlererkennung stattfinden kann.

Diese technischen Defizite haben unmittelbare wirtschaftliche Folgen. Versicherungen lehnen den Abschluss von Allgefahren- oder Elektronikversicherungen ab oder kündigen bestehende Policen aufgrund der Mängellage. Die Anlage wird damit nicht nur unsicher, sondern auch de facto unversicherbar.

Verwaltung und Betriebsführung: Der oft unterschätzte Risikofaktor

In vielen Beteiligungsmodellen wird die Wahl des Betriebsführers oder Verwalters nicht dem Investor überlassen, sondern erfolgt durch den Verkäufer. Das hat weitreichende Konsequenzen. Denn viele dieser Verwalter sind angesichts des schnellen Wachstums der Branche personell und strukturell überfordert. Die Folge: organisatorische Mängel, fehlende Transparenz und zunehmende Probleme im laufenden Betrieb.

Zahlungen von Netzbetreibern oder Direktvermarktern werden verspätet oder gar nicht weitergeleitet, technische Defekte bleiben über Wochen oder Monate unbeachtet. Die kaufmännische Abwicklung erfolgt lückenhaft oder nicht prüfbar. Besonders problematisch: Die Verteilung der Erlöse erfolgt häufig nicht auf Basis des tatsächlichen Anlagenertrags, sondern nach statischen und leistungsunabhängigen Schlüsseln. So entstehen systematische Verzerrungen zulasten aktiver und effizienter Beteiligungseinheiten.

Viele Verwaltungsverträge laufen über die gesamte Projektlaufzeit – mit oft fehlenden vertraglich geregelten Kündigungsrechten. Selbst bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen durch die Verwaltungsgesellschaft bleibt der Investor häufig ohne Möglichkeit zur Korrektur oder zum Anbieterwechsel. In besonders kritischen Fällen wurde die Verwaltungsgesellschaft ohne vorherige Information oder Zustimmung der Investoren an Dritte verkauft. Investoren, die sich gegen dieses autokratische Vorgehen zur Wehr setzen, berichten von massiven Einschüchterungsversuchen, rechtlichen Drohungen oder Blockadehaltung seitens der Verkäufer der Photovoltaik-Anlagen.

Registrierungspraxis: Fehlende Betreiberstellung mit bedeutsamen Folgen

Ein weiteres häufig übersehenes Problem liegt in der Registrierung der Anlagen im Marktstammdatenregister. Statt der tatsächlichen Eigentümer – also der Investoren – werden oftmals die eingesetzten Verwalter als Betreiber eingetragen. Dieser formale Fehler hat weitreichende praktische Konsequenzen: Die rechtlichen und faktischen Betreiberrechte – etwa gegenüber Netzbetreibern, Behörden oder Versicherern – liegen dann nicht bei den Investoren, sondern bei Dritten.

Besonders kritisch könnte dieser Umstand im Zusammenhang mit der steuerlichen Abzugsfähigkeit im Rahmen der IAB-Nutzung sein. Denn nur, wer wirtschaftlich und rechtlich als Betreiber gilt ist aus steuerlicher Sicht der Unternehmer. Nur dieser kann auch die steuerliche Vorteile in Anspruch nehmen – was bei fehlerhafter Registrierung regelmäßig in Frage steht.

Rückbau von Ü20-Anlagen: Konflikte zum Vertragsende vorprogrammiert

Seit rund zwei Jahren erreichen die ersten Anlagen das Ende ihrer 20-jährigen Pacht- oder Flächennutzungsverträge. Während in der Theorie klare Rückbauverpflichtungen bestehen, zeigt die Praxis ein anderes Bild: Meistens wurden weder auf Seiten der Verkäufer noch bei den Investoren Rückstellungen für den Rückbau gebildet. Die vertraglichen Verpflichtungen zum Rückbau werden ignoriert, ausgedehnt oder durch kreative Auslegungen relativiert, um sie nicht aus der eigenen Tasche zu bezahlen.

Wie Sie Risiken vermeiden – vier Empfehlungen für private Investoren

  1. Fachmedien regelmäßig lesen
    Bleiben Sie auf dem aktuellen Stand zu Marktentwicklungen, Gesetzesänderungen und technischen Standards. Das pv magazinebietet fundierte Analysen und Berichte über den Markt, die ein realistisches Bild der Branche vermitteln – jenseits von Vertriebsrhetorik.
  2. Vom Schwarmwissen profitieren – über Investorennetzwerke
    Im „Photovoltaikforum“ (https://www.photovoltaikforum.com/board/199-unternehmerische-photovoltaik-beteiligung/) tauschen sich Hunderte erfahrene Anleger über ihre Beteiligungen aus – häufig mit konkreten Informationen zu einzelnen Anbietern, Einzelanlagen, Projektverläufen und Problemfällen.
  3. Externe Gutachten und Nachweise einfordern
    Kaufen Sie ausschließlich von Anbietern, deren Projekte vorab durch unabhängige Sachverständige auf Plausibilität, technische Machbarkeit und Vertragsklarheit geprüft wurden. Lassen Sie sich diese Prüfberichte im Vertriebsgespräch aushändigen – und nicht erst im Kleingedruckten erwähnen.
  4. Nutzen Sie vertiefende Fachliteratur – etwa unsere Artikelserie im pv magazine
    Diese Reihe beleuchtet alle zentralen Phasen einer unternehmerischen Photovoltaik-Beteiligung – von der Anbieterauswahl über die Investitionsanalyse bis hin zu Betriebsführung und Sicherung der Einspeisevergütung:

Und wenn Sie diese Prüfung nicht selbst leisten können: Holen Sie sich professionelle Unterstützung – von Beraterinnen und Beratern, die ausschließlich Ihre Interessen vertreten. Denn Prävention ist nicht nur in der Medizin die beste Therapie – auch bei Kapitalanlagen schützt sie vor vermeidbaren Schmerzen, Verlusten und Konflikten.

Besonders problematisch sind Klauseln, die eine „Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands“ fordern. Aus Sicht vieler Flächeneigentümer bedeutet das eine vollständige bauliche Wiederherstellung – etwa eine neue Dachhaut nach Demontage der Photovoltaik-Anlage. Anbieter oder Investoren sehen hingegen meist nur die Entfernung der Module als ausreichend an. Diese Auslegungsdifferenz birgt erhebliches Konfliktpotenzial – insbesondere wenn Schadensersatzforderungen im Raum stehen oder Vertragsparteien nicht mehr auffindbar sind.

Fazit: Die Risiken sind real – und oft systembedingt

Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, deckt jedoch die häufigsten und gravierendsten Probleme ab, mit denen Anleger aktuell konfrontiert sind. In vielen Fällen sind es nicht Einzelfälle, sondern strukturelle Mängel, die zu Schieflagen oder Totalverlusten bei den Investoren führen. Was ursprünglich als steuerlich vorteilhaftes, nachhaltiges Investment konzipiert war, wird zunehmend zur wirtschaftlichen Belastung mit juristischem Risiko.

Private Investoren, die aus ökologischer Überzeugung, zur Steueroptimierung oder zur langfristigen Vermögensbildung in gewerbliche Photovoltaik-Anlagen investieren möchten, sollten sich nicht auf vermeintlich einfache Lösungen verlassen. Die Beteiligung erfordert unternehmerisches Denken, rechtliches Grundverständnis, technische Aufmerksamkeit und kaufmännisches Verantwortungsbewusstsein. Es handelt sich nicht um ein standardisiertes Finanzprodukt, sondern um ein komplexes Infrastrukturprojekt mit langfristigen Verpflichtungen – und das in einer Branche, die stark reguliert, technisch anspruchsvoll und personell oft unterausgestattet ist.

Wer hier investiert, sollte sich daher so vorbereiten, wie es ein professionelles Unternehmen bei einer Kapitalbindung in Millionenhöhe tun würde: mit gründlicher Analyse, unabhängiger Begutachtung, sauberer Vertragsdokumentation – und einem klaren Blick für operative Realität.

Hoffnung besteht durchaus: Seriöse Anbieter, die mit hohen Verantwortungsbewußtsein die Geschäftsmodelle für IAB-fähige gewerbliche Photovoltaik-Anlagen implementieren, gibt es in ausreichender Anzahl im Markt.

— Der Autor Kai-Wilfrid Schröder hat jahrelange Erfahrung in der Projektentwicklung von Erneuerbare-Energien-Projekte für die Stromeigenversorgung. Aufgrund vieler bekanntgewordener Projektentwicklungsfehler aus Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien hat Kai-Wilfrid Schröder mit einem Ingenieurteam die Beratungsfirma Utility Consultants gegründet, die technische und kaufmännische Analysen für Geldanleger und Investoren in den erneuerbaren Energien anbietet. Der fachkundige Rat soll den privaten Investor vor Fehlentscheidungen in eine Investition oder eine Geldanlage schützen. http://www.utility-consultant.de/ —

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