Ein Interview mit 1Komma5° Chef-Philipp Schröder regte zur Diskussion an. Schröder äußerte sich zu Einspeisevergütung und den Einsparmöglichkeiten, die seine Kunden hätten. Unser Kommentator Hermann Schrag findet, dass Schröder ein paar wichtige Aspekte weglässt.
Im Interview mit pv-magazine unterstützte der Chef von 1komma5 die FDP-Forderung, die Solarförderung abzuschaffen. Dass Herr Schröder es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt, sieht man schon bei der zweiten Interview-Frage. Er tut einfach so, als würde der Wegfall der Mehrwertsteuer auf Photovoltaik-Anlagen „19 Prozent weniger Investitionskosten“ bedeuten. Dabei weiß wohl jeder in der Branche, dass vor dem Wegfall der Mehrwertsteuer fast alle Anlagenbetreiber sich die 19 Prozent Mehrwertsteuer aus dem Kaufpreis vom Finanzamt zurückgeholt haben. Eine Ausnahme sind Balkonkraftwerke, um die es in dem Interview gar nicht ging. Der Wegfall der Mehrwertsteuer hat die Bürokratie reduziert, aber die tatsächlichen Investitionskosten sind dadurch nicht gesunken.
Im Interview erzählt Herr Schröder dann eine abenteuerliche Geschichte. Angeblich würde laut seiner „Analyse“ ein großer Teil seiner Kunden mit Solaranlage, intelligenter Steuerung und dynamischen Stromtarif einschließlich der Einnahmen aus Stromhandel auf effektive Stromkosten von „null Cent oder darunter“ kommen, wobei die Abgaben und die Anschaffungskosten der Photovoltaik-Anlage schon einkalkuliert seien. Welch Wunder! Unterm Strich der komplette Strom geschenkt und die Photovoltaik-Anlage wie durch Zauberei finanziert. Und wie soll das funktionieren? Natürlich mit dem Zauberwort Künstliche Intelligenz. Das ist eine geschickte Vertriebs-Story, da wird der Hype gnadenlos ausgeschlachtet. Heute trauen viele Leute der Künstlichen Intelligenz die unmöglichsten Dinge zu. Dabei braucht man nur etwas natürliche Intelligenz und Fachkenntnis, um bei der abenteuerlichen Geschichte des Herrn Schröder große Zweifel zu bekommen.
Die Börsen-Strompreise sind aktuell hauptsächlich dann negativ, wenn längere Zeit im ganzen Land viel Sonne scheint. Doch genau dann hat die eigene Wärmepumpe keinen Heizbedarf, stundenlang heiß duschen will man bei der Hitze auch nicht, und der Speicher der eigenen Photovoltaik-Anlage ist schon lange voll. Bei vollem Speicher kann man auch die Phase negativer Börsenpreise nicht ausnutzen. Das geht allenfalls im Winter und manchmal in Übergangszeiten, falls es da überhaupt negative Preise gibt.
Dynamische Stromtarife sind eher für diejenigen sinnvoll, die keine Photovoltaik-Anlage haben. Diese Leute können einen Teil ihres Verbrauchs auf die sonnigen Stunden verschieben, wenn anderer Leute Photovoltaik-Anlagen den Börsenstrompreis verbilligen. Aber wer selbst eine aktuelle Photovoltaik-Anlage hat, hat in sonnigen Zeiten Strom im Überschuss. Photovoltaik-Betreibern ein System zu verkaufen, das bei viel Sonne auch noch Strom dazukaufen kann, das ist wie der Klassiker: Dem Eskimo einen Kühlschrank zu verkaufen.
Ja, verkaufen, das kann Herr Schröder. Den rasenden Aufstieg seines Unternehmens in drei Jahren seit Gründung kann man tatsächlich märchenhaft nennen. Ob das für die Kunden ein Happy-End oder ein böses Erwachen bringt? Photovoltaik-Betreiber wissen erst nach 20 Jahren, ob es für sie selber ein Geschäft war oder nur für den Verkäufer. Doch auch für den abgebrühtesten Verkäufer halten die alten Märchen eine Weisheit bereit: Hochmut kommt vor dem Fall. Der Hochmut von Herr Schröder geht sehr weit: Im Interview wurde er gleich in der ersten Frage angesprochen auf die Pläne der FDP, „die Solarförderung schnellstmöglich abzuschaffen“. Da sagt Herr Schröder nichts dagegen, sondern lobt die Begründung der FDP und betont, dass das von ihm verkaufte Modell angeblich auch dann noch rentabel wäre. Aber wenn die Solarförderung abgeschafft wird, stürzt die gesamte Solarbranche wieder mal in eine Krise. Ob Herr Schröder in dieser Stimmung dann als einziger Kühlschränke verkauft?
Â
— Der Autor Hermann Schrag ist Physiker und seit über 30 Jahren Solarexperte. Er führt seit über 20 Jahren das Unternehmen Schrag Sonnenstrom. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.