das Potenzial historischer Gebäude nutzen – pv magazine Deutschland


Eigentlich sollte die Sache doch klar sein: Wir müssen auf so viele Dächer wie möglich Photovoltaik-Anlagen bringen, um Klimaziele zu erreichen. Damit können wir auch in urbanen Räumen Energie relativ simpel produzieren. Auch deshalb wurde bereits in mehreren Bundesländern eine Solardachpflicht eingeführt.

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Für neu gebaute private und gewerbliche Immobilien ist das ohne weitere Probleme umsetzbar, da entsprechende Anforderungen bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden können. Aufgrund gestiegener Zinsen und Kosten im Allgemeinen ist der Neubau in den letzten Jahren jedoch deutlich zurückgegangen.

Das deutlich größere Potenzial, das schneller zu aktivieren ist, als wenn erst neue Gebäude errichtet werden müssen, liegt im Gebäudebestand. Der ist jedoch deutlich vielfältiger als auf den ersten Blick ersichtlich. Neben dem klassischen Einfamilienhaus oder Gewerbeimmobilien gibt es eine Gruppe von Gebäuden, bei denen traditionelle Solarlösungen scheitern, die aber für den Klimaschutz trotzdem extrem wichtig sind: historische und denkmalgeschützte Gebäude.

Übersehen, aber relevant: denkmalgeschützte Gebäude

In Deutschland gibt es je nach Schätzung rund 660.000 bis 850.000 denkmalgeschützte Gebäude. Das entspricht einem Anteil von rund 3 bis 4 Prozent am gesamten Gebäudebestand. Allerdings ist diese Zahl mit Vorsicht zu genießen, da statistisch Denkmalbereiche – beispielsweise historische Stadtkerne – aus mehreren Anlagen bestehen, rechnerisch aber nur als ein Baudenkmal gezählt werden.

In der Vergangenheit gab es sowohl auf Seiten der Modulhersteller als auch von Denkmalschützern wenig Interesse, Lösungen für denkmalgeschützte Gebäude zu entwickeln. Für die Modulhersteller war es schlicht nicht lukrativ, von Standardlösungen abzuweichen. Für die Denkmalschützer war die visuelle Erscheinung der Module nicht mit ehrwürdigen, historischen Gebäuden vereinbar.

Das führte zu einer Pattsituation: ohne die richtigen Produkte keine Energiewende für und bei historischen Gebäuden, ohne die Nachfrage für diese Gebäudeklasse keine entsprechenden Produkte.

Die Lösungen gibt es, an der Umsetzung hapert es

Diese Situation ist glücklicherweise mittlerweile behoben. Tatsächlich hat die Industrie vorgelegt und Produkte entwickelt, die sich auch für denkmalgeschützte Gebäude eignen. Dazu gehört unter anderem die bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV), bei der Solarmodule in die Gebäudehülle eingebunden sind. So wird das Photovoltaik-Element zu einem multifunktionalen, gestalterischen und bautechnischen Bestandteil des Gebäudes. Das Solarmodul erzeugt dann nicht nur Strom, sondern kann zusätzlich als Witterungs- oder Wärmeschutz dienen und Verschattungsfunktionen übernehmen.

Für denkmalgeschützte Gebäude sind BIPV-Lösungen aus zwei Perspektiven interessant: Zum einen reduzieren sie die Anforderungen an ein zusätzliches Gewicht auf dem Dach und den tragenden Mauern. Zum anderen existieren diese Lösungen in verschiedenen Farben und Formen, sodass sie die ästhetischen Ansprüche an historische Gebäude erfüllen können. Ein vom Landesdenkmalamt Berlin herausgegebener Solarleitfaden stellt fest: „Der Markt hat inzwischen eine Vielzahl an Produkten hervorgebracht, die visuell und technisch überzeugen“.

Woran es jetzt noch scheitert, ist eine flächendeckende Umsetzung von Solardächern auch auf historischen Gebäuden. Um das zu ändern, braucht es drei Aspekte: verbesserte Informationen, Wille zum Wandel und eine koordinierte Planung.

Über die Erfolge sprechen

Medial werden bei der Bewertung von Photovoltaik-Installationen auf denkmalgeschützten Gebäuden häufig plakative Beispiele wie die Installation von Solardächern auf historischen Kirchen und Schlössern herangezogen. In solchen Berichten wird oft der Zielkonflikt zwischen Erhalt der substanziellen und visuellen Denkmalwerte und dem Einsatz regenerativer Energieerzeugungsanlagen betont.

Dabei gibt es genügend Beispiele, wo BIPV-Dächer genau diesen Zielkonflikt aufgrund ihrer optischen Beschaffenheit und ihrer Gewichtsvorteile auflösen. Sei es auf einem Dach in Wasserburg am Inn in Bayern oder einem 1917 gebauten und vom Architekten August Exter entworfenen Haus: Klima- und Denkmalschutz müssen sich nicht widersprechen, ganz im Gegenteil, sie können einander sogar ergänzen. Projekte, die das beweisen, brauchen mehr Sichtbarkeit, um andere zu inspirieren, einen ähnlichen Weg zu gehen.

Klimaschutz als Priorität anerkennen

Während Denkmalschützer vor allem die ästhetische und bauliche Integrität der Gebäude in ihrem Portfolio bewahren wollen, haben andere Behörden mehr Klimaschutz als übergeordnetes Ziel. Hier ist sind Kommunen und Städte gefordert, ihre Prioritäten zu überprüfen und Genehmigungsverfahren entsprechend anzupassen.

Dieses Umdenken hat zu einem großen Teil bereits eingesetzt. Die technologischen Weiterentwicklungen sowie eine veränderte Abwägungspraxis zwischen Zielen des Denkmalschutzes und des Klimaschutzes haben dafür gesorgt, dass Solaranlagen auf Baudenkmalen deutlich häufiger genehmigt werden, als es vor der EEG-Novelle 2023 der Fall war.

Hier ist es nun entscheidend, dass das Tempo beibehalten wird und entsprechend auf mehr Dächern Photovoltaik-Anlagen installiert werden. Hilfreich ist in jedem Fall, dass zahlreiche Kommunen und Städte, aber auch Dachorganisationen Leitfäden herausgegeben haben, wie Solaranlagen denkmalgerecht installiert werden können.

Koordiniertes Handeln führt zu besseren Ergebnissen

Daran anschließend ist es relevant, dass die Gebäudeportfolios integrierter gedacht und geplant werden. Eine intelligente Stadtentwicklung nutzt Instrumente wie das Solarkataster, um die Machbarkeit von Solaranlagen auf geschützten Dächern und Dachlandschaften frühzeitig zu evaluieren.

Außerdem ist eine gemeinsame Planung notwendig und entscheidend und muss zukünftig deutlich verbessert werden. Anstatt jedes Dach einzeln zu betrachten, sollten auch kollektive Lösungen – gegebenenfalls sogar außerhalb denkmalgeschützter Bereiche – angedacht werden. So werden aus Einzelprojekten und behördlichen Silos integrierte Gesamtvorhaben, die durch kluge Planung Kosten gering halten, Klimaschutzziele erreichen und den Denkmalschutz berücksichtigen. Besonders die integrierte Gesamtplanung kann Deutschland zukünftig noch verbessern, um einen Sanierungsturbo zu zünden und das Potenzial historischer Gebäude zu nutzen.

Klare Signalwirkung für die Zukunft

Historische Gebäude liegen häufig zentral und haben eine über die normale Funktionalität hinausgehende Bedeutung für den Ort. Wenn der Einsatz von Solarenergie auf denkmalgeschützten Gebäuden gelingt, wird es auch auf allen anderen Gebäuden gelingen. Wenn Erfolgsgeschichten mehr geteilt, Genehmigungen häufiger und schneller erteilt sowie Planungsvorhaben besser abgestimmt werden, kann mit und auf den alten Mauern das Klima geschützt werden.

Florian Hartung, Roofit.Solar— Der Autor Florian Hartung ist Experte auf dem Gebiet der gebäudeintegrierten Photovoltaik, bei der Photovoltaik-Module in Baustoffe integriert werden und damit ideal in die Gebäudehülle von beispielsweise historischen oder architektonisch herausragenden Gebäuden integriert werden können. Er unterstützt Roofit.Solar dabei, solarintegrierte Metallpaneele in Deutschland und der DACH-Region weiter zu etablieren. —

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